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Faustrecht die Ehre ihres Standes zu finden meinten, sich einer
Macht fügen mußten, die von oben stammte, aus dem ewigen
Reich und den Frevler jenseits des Grabes noch ereilt. Die
Kirchenbußen waren das Mittel, alle, welche der weltliche
Arm nicht erreichte, im Zaun zu halten. Die Kirchengebote
wurden strenge eingeschärft, besonders die Feier der Sonn-
und Feiertage, welch letztere viel zahlreicher waren als jetzt,
das Fastengebot und die Osterpflicht.
Die meisten Bischöfe dieser Zeit waren in Klöstern ge
bildet und selbst Mönche oder Äbte gewesen. So waren die
Klöster Pflanzschulen zur Heranbildung frommer und gelehrter
Bischöfe und Priester. Disentis und Pfäfers erfreuten sich der
Gunst der sächsischen und salischen Kaiser. Doch als Oker, aus
dem Geschlechte der Grafen von Rapperswil, Abt zu Disentis
war und sich gegen den König Heinrich II. erklärte, wurde
die Abtei dem Bischof von Brixen übergeben, aber unter
Heinrich III. wieder von der Gewalt desselben befreit.
Würdige Männer standen an der Spitze dieser Abtei, die
nicht bloß im bündnerischen Oberland begütert war, sondern
auch an den Ufern des Zürichsees und in der Lombardei. Wie
Disentis in Oberrätien, so übte Pfäfers in Unterrätien seinen
wohltätigen Einfluß aus. Seine Güter lagen zerstreut in allen
Teilen Churrätiens; auch in Schwaben und in der Lombardei
hatte es schöne Besitzungen. Diese Klöster waren mit anderen
des gleichen Benediktinerordens von nah und fern verbrüdert.
Der Reichtum aber, welchen die Klöster erwarben, übte früh
zeitig seine verderbliche Wirkung auf dieselben aus, besonders
wenn die Vorsteher ihre Stellung der Wahl weltlicher Herren
verdankten, die nicht immer die würdigsten wählten. Deshalb
entstanden bald strengere Orden, wie die Karthäuser, Eister-
zienser und Prämonstratenser. Den lauten Klagen über den
Verfall der Zucht in den Klöstern und bei der Geistlichkeit
überhaupt, wovon man die Ursachen besonders in der Simonie
(im Verkauf geistlicher Würden) und in den Ehen der Geist
lichen sah, wurde durch die Anordnungen des Papstes Gre
gor VII. und seiner Nachfolger begegnet. In dem langen,
wechselvollen Kampfe um die Freiheit und Reinheit der Kirche
sind diese Päpste endlich Sieger geblieben.