Volltext: Moriz Menzinger 1832-1914, Landschaftsaquarelle

Uniform. Sie gerieten in Aufruhr, als sie den Fremden 
sahen, der zu Fuß mit einer so kleinen Handtoa- 
sche daherkam; sie bogen sich weit über die Brü- 
stung, um dem raren Vogel nachzusehen, den sie 
vielleicht für einen preussischen Spion hielten. 
Hier nun macht die Strasse, vermutlich um frem- 
des Gebiet zu achten, ein Knie und biegt nach Sü- 
den ab, in die Längenrichtung des Reiches. Ich 
hatte noch volle drei Viertelstunden bis Vaduz, denn — 
Spaß beiseite — ein paar Meilen weiter kann man auf 
diesem Daumennagel, der ein Land heißt, immerhin 
laufen und von seinem Nordpol bis zu seinem Südpol 
sind es reichlich sechs Stunden. Ich überschritt unter- 
wegs mehrere lustige Bäche, aus deren einem ich 
abends Forellen speisen sollte, und ein einsamer Tele- 
graphendraht war mein Begleiter, Vaduz selbst wollte 
sich nirgends zeigen, es duckt sich so tief in allerlei 
dichtes Grün, daß man selbst von der Eisenbahn aus 
nur etliche Dächer wahmimmt, Schloß und Kirche na- 
türlich abgerechnet. In tröstlicher Weise dagegen 
mehrten sich die Bürgschaften dafür, daß in Vaduz für 
den Durst trefflich gesorgt sei. Ich gelangte in eine Art 
Weinregion und linker Hand insbesondere entwickelte 
sich ein prächtiger Weingarten, den eine lange, feste 
Mauer umfaßt; er gehörte dem Fürsten. 
Zuletzt war der Ort doch erreicht und als eines 
der ersten Häuser trat mir stattlich der Gasthof 
zum goldenen Löwen entgegen. Wer könnte an 
einem goldenen Löwen vorbeigehen? Ich traf es 
gut darin; die schönen Forellen und der gesunde, 
selbstgekelterte Vaduzer Rotwein, der seinen Tugen- 
den nach nördlich an den Tiroler, südlich an den Veltli- 
ner grenzt, seien dem Leser, der zufällig nach Liech- 
tenstein geraten sollte, bestens empfohlen. 
Ich konnte nicht umhin, noch denselben Abend,im 
Grau der Dämmerung, Vaduz abzulaufen. Ich ver- 
zeichne vorderhand eine lange, dörfliche Hauptstrasse, 
zwar nicht beleckt von der Zunge des Pflasterermei- 
sters und des Direktors einer Gasgesellchaft, aber zum 
Teil mit ganz stattlichen Gebäuden besetzt. Sie senkt 
sich ein Weniges gegen den Fuß der steilen Felsen hin, 
auf denen das fürstliche Schloß steht, und führt an 
dem schier festungsmäßigen Hause des Regierungs- 
chefs oder Landesverwesers, (derzeit eines geborenen 
Wieners) vorbei zur Kirche. Diese ist neu, in gotischem 
Stil erbaut, mit gemalten Fenstern geschmückt und 
darf füglich ein reizender Bau genannt werden. Ent- 
worfen ist sie von einem Wiener Architekten, der seit 
dem Bau jeden Sommer im liebgewonnenen Vaduz 
verbringt. Die Baukosten hat zum großen Teil der 
Fürst bestritten. Die Straße schien mir sehr gemütlich. 
Das herrschende Fuhrwerk war, damals wenigstens, 
der Heuwagen. Auf den Bänken vor den Haustüren 
saßen die guten Leutchen von Vaduz beisammen und 
sahen mir erstaunt nach, wehrten auch wohlwollend 
ihren Hofhunden, welche meinen Einfall nicht ruhig 
hinnehmen wollten, an ihrer Spitze der Hund des 
Landeschefs, ein Tier von wahrhaft großstaatlichen 
Dimensionen. In einem Laden hatte ich das patrioti- 
sche Vergnügen, österreichische Cigarren mit österrei- 
chischen Gelde bezahlen zu dürfen, denn unser 
Monopol ist auch das Rauchgesetz für Liechtenstein 
und unser Silbergulden läuft in dem glücklichen Länd- 
chen als Hauptmünze um, gerade wie unser Marig-
	        

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