Volltext: Moriz Menzinger 1832-1914, Landschaftsaquarelle

des Triumphgefühls über sein Gesicht. «Aha, Musch- 
ter!» rief er und schwang siegesfroh meine grosse 
Kopfbürste. Darauf war ich nicht gefaßt gewesen. Sein 
Einfall war nicht übel, denn gewiß kann jedes einzelne 
Ding als ein «Muschter» seiner Gattung betrachtet 
werden. Glücklicherweise befanden sich die vermeint- 
lichen Muster keineswegs mehr in musterhaftem Zu- 
stande und ich unternahm es daher, ihm den Unter- 
schied zwischen Muster und Muster klarzumachen. 
Die Verhandlung dauerte ziemlich lange und während 
derselben hatte der finstere eidgenössische Kollege, 
der vom andem Rheinufer aus das Ganze mitange- 
sehen, sich nach und nach über die Brücke herüber 
gemacht. Die Verhandlung über meine Seife und Pan- 
toffeln wurde dadurch eine internationale, an der sich 
drei Mächte, Österreich, Liechtenstein und die Schweiz 
beteiligten. Das Votum der letzteren entschied die 
Sache zu meinen Gunsten; meine «Muschter» durften 
ungehindert passieren. 
Wie zwischen Buchs und Schaan, so verbindet auch 
zwischen Sefelen und Vaduz eine Holzbrücke das Für- 
stentum mit der Eidgenossenschaft. Seit etwa zehn 
Jahren erst; früher geschah die Verbindung durch Schif- 
fe. Zwischen beiden setzt die eiserne Gitterbrücke der 
Eisenbahn mit Hilfe eines Mittelpfeilers über den Fluss. 
Die Kosten der Holzbrücken wurden zu einem Drittel 
von den schweizerischen, zu zwei Dritteln von den 
liechtensteinischen Gemeinden bestritten; im Fürsten- 
tum herrscht noch jetzt eine gewisse Gereiztheit 
darüber, daß die Schweizer sich zu keinem christ- 
licheren Verhältnis herbeilassen wollten. Überhaupt hat 
der kleine Staat, obgleich ihm die Weisheit seines 
Fürsten alle Ausgaben für Kriegswesen und andere un- 
nötige Dinge vom Halse geschafft, nicht wenig für sei- 
ne Existenz aufzuwenden. Lebt er doch in fortwähren- 
dem Kriege mit dem Rhein, der, aus den Eisschluchten 
des Rheinwaldthales hervorbrausend, trotz Seiner 
Jugend schon in möächtiger Breite dem Bodensee 
zueilt. Nur die starken steinemen Dämme, auf deren 
Erhaltung ein grosser Teil der Jahreseinkünfte des Für- 
stentums verwendet wird, hindern es, dass er binnen 
wenigen Jahren den ganzen Staat in eine wüste 
Schutt- und Geröllhalde verwandle. Die vielen Kies- 
flächen, Lachen und Tümpel des Überschwemmungs- 
zebiets, das man ihm wenigstens für seine dringend- 
sten Tollheiten freiwillig überlassen hat, geben einen 
Begriff davon, wie andernfalls das ganze Land qaus- 
sehen müßte. Außer diesem einen Kriegszustand hat 
aber das Fürstentum (bekanntlich oder nicht) auch 
noch einen anderen. Im Jahre 1866 ging es mit Öster- 
reich gegen Preußen und als der Friede geschlos- 
sen wurde, dachte niemand an die kleine Macht, 
welche da unten zwischen Vorarlberg und der 
Schweiz eingekeilt, ordentlich unangreifbar ist. Die 
Liechtensteiner sagten auch kein Wort, ihre geographi- 
sche Lage erlaubt ihnen ja, mit den meisten Staaten 
der Welt in ewigem Kriege zu leben. Die Mauem ihres 
Landes sind Österreich und die Schweiz und die 
schießt selbst Krupp nicht durch. Es ist daher auch gar 
nicht zu wundern, daß Liechtentein den unbeendigten 
Krieg gegen das siegreiche Preußen-Deutschland sehr 
bequem erträgt. Früher, als es noch dem deutschen 
Bunde angehörte und daher auf dauerhaften Frieden 
rechnen konnte, hatte es eine Armee von hundert 
5
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.