dass er mit «d’Mosig» diesmal nicht den Verein meinte, sondern das,
was sich ereignet, wenn Musik gespielt wird. Es war also die Suche
nach dem Schönen, eine Flucht aus dem Alltag, aus der Enge der
Werkstatt, der Stickerstube, aus der Einsamkeit der Alphütte. Sucht
heute der Arbeiter aus der Fabrikhalle, aus dem Büro, von der
Baustelle nicht ebenfalls danach, sich ausdrücken, seine innersten
Gefühlsregungen in der heilen Welt der Musik gestalten zu können,
um in diesem Augenblick ganz Mensch zu sein?
Zwischen dem damaligen Sticker, dem Alpknecht, dem Kassier und
dem heutigen Arbeiter, der seine Schicht umstellt, dem Bauern, der
seine Arbeit in Hof und Stall rechtzeitig erledigt, oder dem Ange-
stellten, der andere gesellschaftliche Verlockungen absagt, um zur
Musikprobe gehen zu können, besteht eine direkte geistige Ver-
wandtschaft.
In unserer alemannischen Nüchternheit und Trockenheit gehen uns
die Worte zum Ausdrücken der Gefühle sehr schnell aus. Unser
Dialekt kennt keine direkte Übersetzung der drei Wörtchen «Ich
liebe dich». Im natürlichen Wunsch nach Ausdruck und Mitteilung
wird die Musik zur Ersatzsprache. Wird die Suche nach Ausdruck
zur Lust am schönen Ausdruck, überschreitet der Musiker beglückt
die Schwelle zu seinem eigenen, nur ihm gehörigen Paradies. Wie
viele Ständchen wären ungespielt und wieviele nächtliche Lieder
ungesungen geblieben, hätte sich der Mensch in der Musik nicht den
intensivsten emotionalen Ausdruck seiner Kultur geschaffen! Ja, das
gibt es bei uns noch: Zwei, drei Musikanten, die warten, bis das Fest
verrauscht ist, oder die sich aus dem Lärm davonschleichen, um für
sich allein zu spielen und zu singen.
Die mystische, dämonische und religiöse Gewalt, die den Blasinstru-
menten durch alle Jahrhunderte beigemessen wurde, ist heute fast
vergessen: Die Priester im Ägypten der Pharaonen hatten die Musik
ganz der eigenen Kaste vorbehalten, weil sie ihre mystische Wirkung
erkannt hatten. Die Mauern von Jericho stürzten unter dem Schall
von Posaunen und Trompeten ein. Die Germanen bliesen bei ihren
Opfern das Stierhorn und die Lure. Blasinstrumente, besonders die
Blechblasinstrumente, wurden vornehmlich für den Gottesdienst
eingesetzt, aber auch zur Beschwörung von Dämonen und Naturge-
walten. Das Alphorn wurde in den Bergen nicht zum Vergnügen
geblasen, sondern im gleichen Sinne, wie bei uns das die bösen Kräfte
bannende Sennen-Ave gesungen wurde. Beim Alleluja spielen die
Trompeten im Dies irae die Posaunen.
Wenn auch vieles an Traditionen heute sinnentleert ist, wenn aus
Riten gesellige Spiele, aus Kulthandlungen Lustbarkeiten wurden, so
scheint noch in vielen aufrecht erhaltenen Bräuchen etwas von dieser
Lure: altes germanisches
Blasinstrument.