Dass unsere Blaskapellen sich nach wie vor zwar in den Dienst der
Gemeinschaft stellen und kirchlichen und weltlichen Anlässen mit
ihrem Spiel das Gepräge geben, sich aber bisher weitgehend mit
Erfolg dagegen gewehrt haben, auf dem pseudo-folkloristischen
Tanzboden zum Schauobjekt degradiert und als Unterhaltungsauto-
mat vermarktet zu werden, betrachte ich als Erbe dieses Gründerstol-
zes und Freiheitsbewusstseins.
Sicher haben bei der Gründung der ersten Blasmusikvereine ausländi-
sche Beispiele wichtige Impulse, in Einzelfällen sogar den direkten
Anstoss gegeben. So berichtet Dr. Gustav Schädler über eine Bege-
benheit aus dem Jahre 1857: Der Neuhüsler Sepp ging an einem
Sonntage «ins Land», nach Vaduz, und hörte dort einige Böhmen
eine so wundervolle Musik spielen, dass er ihnen bis nach Schaan
nachlief. «Unschi Sach’ ischt gar nüd!» rief er am Abend beim
Zusammentreffen mit seinen Freunden in Triesenberg aus, denn, so
erklärte er, die Böhmen hätten neben Klarinetten nicht Geigen,
sondern «Gügeli» gespielt, die tönen wie himmlische Posaunen. Die
Folge dieser Begegnung war, dass die Geigenmusik auf Blasinstru-
mente umstellte und so die erste Harmoniemusik im Lande entstand.
Diese Gruppe hat möglicherweise den Anstoss zur Gründung der
Triesner Blasmusik gegeben und diese wiederum zur Vaduzer. Die
Harmoniemusik Balzers hingegen wurde von einer. Gruppe von
Balzner Saisonarbeitern gegründet, die im Sommer jeweils im Glar-
nerland gearbeitet und dort das Spielen der Instrumente erlernt
hatten.
In einigen Gemeinden gaben Geistliche und Lehrer den Anstoss zur
Gründung von Musikvereinen, so z.B. in Eschen, Mauren und
Schellenberg. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass in diesen Fällen
kirchenmusikalische Ansprüche im Vordergrund gestanden sind,
Die Besetzung war in diesen ersten Jahren: eine Es-Klarinette, eine
B-Klarinette, ein B-Flügelhorn, zwei Es-Irompeten und ein Es-Bass.
Die aus den siebziger Jahren erhaltenen Noten zeigen, dass die
Besetzungen um ein Althorn in B, ein Althorn in Es, ein Bombardon
und schliesslich eine zweite B-Klarinette, ein zweites B-Flügelhorn
oder Cornett, eine Bassposaune und schliesslich den B-Irompeten
erweitert worden sind. Das Schlagwerk wurde erst spät, meist um die
Jahrhundertwende eingeführt. a
Im Ausland galten militärischerseits die Signaltrompeter sowie die
um 1800 entstandenen Militärspielcorps und auf dem zivilen Sektor
die Stadtpfeifer-Zünfte als die Wegbereiter der bürgerlichen Musik-
vereine. Alle diese Einrichtungen hat es in unserem Lande nie
gegeben. Das 1868 aufgelöste liechtensteinische Militärcorps hatte
wegen seiner geringen Zahl kein eigenes Spiel, und im zivilen Sektor
Neuhüsler Sepp
Josef Schädler (1834—1892), Trie-
senberg, Gartschind 74 (damals
ein neues Haus, darum «Neuhüs-
ler Sepp») war Mitbegründer der
Neuhüsler-Musik oder «Streich-
musik», die von 1853—1857 be-
stand und dann in eine Blasmusik
mit sechs Mann umgewandelt
wurde. Diese bestand bis 1900.