Auch politisch war Liechtenstein in eine Krisenstellung geraten:
Durch den Einmarsch deutscher Truppen in Österreich war unser
Land in den Märztagen des Jahres 1938 plötzlich zum Nachbarn
des «Grossdeutschen Reiches» geworden. Wenige Tage nach die-
sem Ereignis schlossen sich die beiden Parteien zu einer Koalition
zusammen, um die Selbständigkeit des Landes wahren zu können,
and das Volk versicherte dem jungen Fürsten Franz Josef II., der
seinen dauernden Aufenthalt im Lande nahm, seine Treue. Die
Zusammenarbeit der beiden Parteien, der Fortschrittlichen Bür-
gerpartei und der Vaterländischen Union, bestimmt noch heute
das politische Leben des Landes. Bei den Wahlen wurde das Pro-
porzsystem eingeführt.
Es war selbstverständlich, dass Liechtenstein auch im Zweiten
Weltkrieg neutral blieb. Wieder war unser Fürstentum einer der
wenigen Staaten Europas, der vom Kriege verschont blieb, dies-
mal aber auch von der Not des Hungers, denn die Schweiz nahm
unser Land in ihr Rationierungssystem auf. .
Als in den letzten Kriegstagen viele Tausende von Zwangs-
arbeitern und Kriegsgefangenen an unserer Grenze standen, um
endlich den Weg in die Heimat anzutreten, gründete Fürstin Gina
von Liechtenstein das Liechtensteinische Rote Kreuz, das im Ver-
hältnis zur Kleinheit des Landes seither schon grosse Leistungen
vollbracht hat.
([NDUSTRIALISIERUNG
UND WIRTSCHAFTLICHER AUFSTIEG
Die Jahre seit dem Zweiten Weltkrieg sind gekennzeichnet
durch einen allgemeinen wirtschaftlichen Aufstieg, der in diesem
Umfange als einmalig bezeichnet werden kann. Innerhalb von
zwei Generationen hat sich Liechtenstein von einem Lande der
Kleinbauern und des Kleingewerbes zu einem hochindustrialisier-
zen Gebilde entwickelt. Einige ausgewählte Vergleichszahlen sol-
len diese Lage belegen:
Unmittelbar nach Kriegsende waren in der Industrie etwa 800
Arbeitnehmer beschäftigt — 1980 waren es 6200, hauptsächlich in
der Metall- und Maschinenindustrie, und der Export hat sich von
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