Mit der Auseinandersetzung um die Regierungsbildung brach sich die
Proporzidee Bahn.
e) Landtagsauflösung und Neuwahl
Bei der Spar- und Leihkassa-Affäre geriet vor allem die Parteiführung
der Volkspartei ins Schussfeld der Kritik.?® Der Sparkassaverwalter
Franz Thöny hatte in verbrecherischem Zusammenwirken mit Anton
Walser-Kirchthaler, Niko Beck und Rudolf Carbone der Spar- und
Leihkasse (Liechtensteinische Landesbank mit unbeschränkter Lan-
desgarantie) einen Verlust von 1%/4 Millionen Schweizerfranken zu-
gefügt.?b Die Bürgerpartei meldete am 10. Juni 1926 bei der Regie-
rung ein Initiativbegehren auf Auflösung des Landtages an.’% Sie
hatte sich auch in einem Schreiben vom 13. Juni 1928 an den Landes-
fürsten Johann II. gerichtet, worin sie ihrem Standpunkt Ausdruck
verlieh, dass der «Rücktritt der Regierung, die Auflösung des Land-
tages und die Bestellung einer provisorischen Regierung durch Seine
Durchlaucht den Landesfürsten zur Durchführung von Neuwahlen
und zur Fortführung der Geschäfte bis zur verfassungsmässigen Kon-
stituierung des neuen Landtages und der neuen Regierung im Sinne
des Artikels 10 Schlusssatz der Verfassung unbedingt erforderlich»
28a Siehe dazu Entscheidungen des fürstlich liechtensteinischen Staatsgerichtshofes
1931, 9ff, 15ff und 57ff.
2b Franz Thöny, Verwalter der Spar- und Leihkasse, wurde wegen Verbrechens des
Betruges und der Veruntreuung für die Dauer von drei Jahren zu schwerem
Kerker, Anton Walser-Kirchthaler, Mitglied der Kontrollstelle, wegen Verbre-
chens des Betruges und der Veruntreuung in Idealkonkurrenz mit dem Verbre-
chen des Missbrauchs der Amtsgewalt für die Dauer von vier Jahren zu schwe-
rem Kerker, Rudolf Carbone wegen des Verbrechens des Betruges für die Dauer
von drei Jahren zu schwerem Kerker und Niko Beck wegen des Verbrechens
des Betruges für die Dauer von drei Jahren zu schwerem Kerker verurteilt. So
stenografischer Verhandlungsbericht aus dem Kriminalprozess gegen Franz
Thöny, Niko Beck, Anton Walser und Rudolf Carbone. 27. Ausgabe, Samstag,
14. Dezember 1929 (herausgegeben von der Regierung); der Landtag beschloss
am 29. Dezember 1928 das Gesetz betreffend die Beistellung des Dotationskapi-
tales für die Spar- und Leihkasse für das Fürstentum Liechtenstein, wonach dem
vorgeschlagenen Dotationskapital von einer Million Franken sofort ein Betrag
von 600 000.— Franken einbezahlt wurde. Der Restbetrag von 400 000.— Fran-
ken sollte der Sparkasse bis spätestens Ende 1929 zur Verfügung gestellt werden.
Sieht man die im Finanzgesetz für das Jahr 1929 veranschlagten Einnahmen an,
die Fr. 993 473.— ausmachten, so wird die Grösse des Ausmasses des Schadens-
betrages, der der Spar- und Leihkasse zugefügt worden war, deutlich.
®c Das Schreiben lautet: «Die Gefertigten melden hiermit namens der Bürgerpartei
und im eigenen Namen die Initiative auf Auflösung des Landtages im Sinne des
$ 24 Absatz 1 al. b. an und ersuchen um sofortige Kundmachung dieser Anmel-
dung.» Es ist unterzeichnet vom Obmann der Bürgerpartei, Ferdinand Risch,
und vom Schriftführer der Bürgerpartei, Dr. Ludwig Marxer.
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