4. Gründe für die Reaktion von 1852
Am 20. Juli 1852 setzte der Fürst die Konstitutionellen Übergangs-
bestimmungen von 1849 wieder ausser Kraft. Es galt wieder die land-
ständische Verfassung von 1818. Der Landrat sollte als beratende
Versammlung weiterbestehen, wurde aber nie mehr einberufen. Alois
II. musste sich damit dem Druck des Bundes beugen. Preussen und
Osterreich hatten die Revolution überwunden. Gemeinsam setzten sie
im Deutschen Bund durch, dass alles aus den Landesverfassungen zu
entfernen war, was mit den Bundesgesetzen nicht übereinstimmte;
dies betraf insbesondere das allgemeine Wahlrecht ohne Zensus und
ständische Gliederung. Die kleinen Staaten mussten ihre Verfassungen
revidieren. Bundestreue aber war für Liechtenstein lebenswichtig,
wollte es nicht Gefahr laufen, eines Tages mediatisiert zu werden.
So war fast alles wieder beim Alten. Allerdings waren Erfahrungen
gemacht, Rechte geübt und ein grundsätzliches konstitutionelles Ein-
verständnis zwischen Fürst und Volk gewonnen worden.
5, Die Entstehung der konstitutionellen Verfassung von 1862
In den nächsten Jahren wurden nicht einmal die Landstände einbe-
rufen. 1856 richteten daher die Richter aller Gemeinden ein Pro-
memoria an den Fürsten, den Landrat wieder einzusetzen, um die
anstehenden Landesprobleme zu lösen. Selbst Menzinger unterstützte
die Petition. Der 1857 reaktivierte alte Ständelandtag nahm nach
dem Steuerpostulat gleich auch eine Resolution an und erinnerte den
Fürsten an seine Versprechen. Jährlich dringender wiederholten die
Landstände ihre fordernden Bitten. 1858 starb Fürst Alois II. Der
18jährige Nachfolger, Fürst Johann II., ergriff sogleich die Initiative,
doch zögerte die zweijährige Regentschaft der Fürstinmutter die Ver-
fassungsreform nochmals hinaus.
Anfangs der 1860er Jahre waren in den meisten deutschen Staaten
liberalere, konstitutionelle Verfassungen eingeführt; Österreich trat
ebenfalls in den Konstitutionalismus ein. So klagten denn die liechten-
steinischen Landstände nicht zu Unrecht, Liechtenstein werde unter
all den deutschen Verfassungsstaaten das «Waisenkind im grossen
Vaterlande» sein.
Q