Gerichtsaktuar. Eine Gewaltentrennung existierte nicht. Die Verwal-
tung der Gemeinde lag in den Händen eines Richters, eines Säckel-
meisters und mehrerer Geschworener. Für das Richteramt schlug die
Gemeinde jährlich drei Männer vor, aus denen das Oberamt den nach
seiner Ansicht tüchtigsten auswählte. Das Oberamt musste über seine
Amtshandlungen der Hofkanzlei in Wien Bericht erstatten, welche
ihrerseits die Berichte an den Fürsten weitergab. In wichtigen An-
gelegenheiten erhielt es von Wien Weisungen, wie es sich zu verhalten
habe.
Die oben beschriebenen Vorkommnisse beschränkten sich aber nicht
nur auf Liechtenstein, auch in anderen Staaten des Rheinbundes
waren ähnliche Entwicklungen gegeben. Es ist dabei nicht abzustrei-
ten, dass der Bevölkerung daraus auch mancher Nutzen erwuchs und
einige Neuerungen eingeführt wurden — zu erwähnen sind die Schul-
pflicht, das Grundbuch, medizinische Massnahmen etc. — die sonst
noch lange nicht zum Durchbruch gekommen wären. Aber es gab
bei dieser «Revolution von oben» doch auch bedenkliche Seiten. Die
in der Aufklärung wurzelnde unhistorische Denkweise der Rhein-
bundreformer hat dazu geführt, dass auch wertvolle Bestandteile des
Erbes der Vergangenheit bedroht wurden. «Die immer mächtiger wer-
dende Bürokratie missachtete oft die lebendigen Kräfte des Volks-
tums und der Religion.» (Gebhardt III, 49)
Die Verfassung von 1818
War Liechtenstein durch den Rheinbund verpflichtet worden, die
alte Verfassung abzuschaffen, so hatte die Mitgliedschaft beim Deut-
schen Bund die Einführung der landständischen Verfassung zur Folge.
— Auch hier wieder zeigt sich der Einfluss der europäischen Ent-
wicklung auf die innenpolitische Geschichte Liechtensteins. Dem Deut-
schen Bund gehörten am 1. September 1815 einundvierzig deutsche
Staaten an, unter denen Liechtenstein mit 5546 Einwohnern der
kleinste war. Der Zweck des Deutschen Bundes war die «Erhaltung
der äusseren und inneren Sicherheit Deutschlands und Unverletzbar-
keit der einzelnen deutschen Staaten». Mitglieder waren nach der
Bundesakte die souveränen Fürsten und freien Städte Deutschlands.
Die Bundesakte vom 8. Juni 1815 schreibt den Mitgliedern des Deut-
schen Bundes vor: «In allen Bundesstaaten wird eine landständische
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