Volltext: Beiträge zur geschichtlichen Entwicklung der politischen Volksrechte, des Parlaments und der Gerichtsbarkeit in Liechtenstein

in der Regierungsvorlage und in der geltenden Verfassung von 1921 
nicht mehr der Fall. Es heisst dort: «Ohne Mitwirkung und Zustim- 
mung des Landtags dürfen keine Gesetze gegeben, abgeändert oder 
authentisch erklärt werden. In dringenden Fällen hat der Landesfürst 
durch die Regierung das zur Sicherstellung und Wohlfahrt des Staates 
Notwendige vorzukehren; jede solche Massregel bedingt aber die 
nachträgliche Zustimmung des Landtages; wird dieselbe verweigert, 
so ist die Anordnung aufzuheben.» Der Abänderungsvorschlag von 
Ernst Pappermann!*! zu Artikel 10 Satz 2 der Verfassung (Notrecht) 
greift den Gedanken der Beschränkung der Monarchengewalt wieder 
auf. Dies entspräche am ehesten dem Gleichgewicht der beiden Ge- 
walten Fürst und Volk.!? 
Der Verfassungsentwurf von Dr. Wilhelm Beck definiert in Artikel 
35 den Landtag als das verfassungsmässige Organ der Gesamtheit 
der Landesangehörigen, das die Interessen des Landes und des Volkes 
nach den Bestimmungen der Verfassung wahrzunehmen habe. Die 
auf ergangene gesetzliche Einberufung erfolgte Versammlung der 
Abgeordneten bilde das verfassungsmässige Organ des Landtages. 
Artikel 62, der von den Behörden, namentlich von der Regierung, 
handelt, legt fest, was unter parlamentarischer Regierung zu verstehen 
ist. Danach hat ein Regierungsmitglied von seiner Stelle zurückzu- 
treten, «wenn es das Vertrauen der Volksvertretung nicht mehr be- 
sitzt». In Ziffer I1./8. des Programms der Christlich-sozialen Volks- 
partei Liechtensteins wurde gefordert: «Die Volkspartei verlangt eine 
parlamentarische, das Vertrauen des Landtages besitzende Regierung, 
die zurückzutreten hat, wenn sie dieses Vertrauen nicht mehr besitzt.» 
Die Schlossabmachungen vom September 1920? nahmen an diesem 
Verfassungspostulat der Volkspartei Abstriche vor. Es heisst dort 
unter Ziffer I./3. nur mehr: «... Wenn ein Mitglied der Regierung 
1 Pappermann Ernst, Die Regierung des Fürstentums Liechtenstein, Bigge/Ruhr 
1967, 131ff, insbesondere 137ff. 
Pappermann Ernst (136) ist der Meinung: «Mit der heute geltenden Norm, 
dass die Staatsgewalt auch im Volk verankert ist und dass die Monarchie auf 
demokratischer und parlamentarischer Grundlage beruht, ist es wohl nicht ver- 
einbar, dass der Fürst im Wege des Notverordnungsrechts den Landtag lahm- 
legen kann und dass er den gegenzeichnenden Regierungschef unter Ausschal- 
sung vor allem der rechtlichen Kontrolle des Landtags nach seinem Willen im 
Amt belassen kann. Dass sich derartige Vorschriften noch heute in der Ver- 
fassung befinden, ist nur damit zu erklären, dass sie nie in ihrer vollen Durch- 
schlagskraft angewendet worden sind.» 
3 Abgedruckt in O. N. Nr. 85, 4. November 1922. 
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