Letzten Sommer hat Dr. Alexander Frick im Vaduzer Wald Steine gesucht.
Ein, zwei oder gar mehrere Brocken wären ihm recht gewesen.
Der Ort, an dem die Klumpen hätten liegen sollen, heisst «Mockawald», und der
Grund, warum die Suche veranstaltet wurde, liegt im Namen. Es sei nämlich
kein «Mückenwald», wie man hätte annehmen können, sondern eher ein
«Felsbrockenwald»: der «mocke» ist ein altes Wort für Brocken oder Klumpen.
Es ist heute noch in verschiedenen Gebieten der Schweiz gebräuchlich. Unsere
Mundart kennt es nicht mehr, es sei denn als sprachlichen Import. Hätte
Dr. Frick die Steine gefunden, so wäre das ein Hinweis gewesen, dass die
Deutung des Namens «Mockawald» als «Stein-» oder «Felsbrockenwald»
möglich ist.
Nun soll er sie aber nicht gefunden haben. Es wäre auch nicht ganz einfach
gewesen, die Felsbrocken-Deutung befriedigend zu erklären. Unsere
Aussprache des Namens hätte nämlich die folgende kleine Schwierigkeit
ergeben. Das «o» eines mittelhochdeutschen Wortes wie «mocke» wird heute
in unserer Mundart offen artikuliert — zum Beispiel in «Brocka» (hochdeutsch
Brocken), Dorf, Boda (Boden) — während wir das «o» in Mockawald
geschlossen aussprechen. Dieses geschlossene «oO» hat sich aus einem
früheren «u» entwickelt: Mocka (Mücke) aus dem alten «mucke», Soppa
‘Suppe) aus «suppe», trocka (trocken) aus «trucken» usw. Den Unterschied
merken wir deutlich am Wort Topf. Ein Topf mit geschlossenem «0» (Tupfen,
Fleck) ist etwas ganz anderes als ein Topf mit einem offenem «o» (Kochtopf)
Die verschiedenen Bedeutungen des auf verschiedene Weise aus-
gesprochenen Wortes lassen es nicht zu, dass wir die beiden Sprecharten
beliebig vertauschen. Genau das aber wäre der Fall, wenn wir den
«Mockawald» zum «Felsbrockenwald» erklären.
Flurnamen im
Vaduzer Wald
Eine Sprache verändert sich im Lauf der Zeit, es werden neue Wörter gebildet,
und alte Bezeichnungen vergessen. Das war immer schon so, und es gab
immer schon Leute, die sich sorgten, dass die ursprüngliche Mundart, der
«echte Dialekt», verloren gehe. Nur die Namen für Personen, Fiuren, Flüsse,
Orte und dergleichen sind der dauernden Veränderung und Weiterentwicklung
weniger unterworfen. Sie behalten ihre Form meist viel länger als andere
Bezeichnungen. So kommt es, dass. alte, nicht mehr gebräuchliche Wörter in
solchen Namen erhalten bleiben, von denen kein Mensch mehr weiss, was sie
bedeuten. Da man jedoch im allgemeinen erwartet, dass Wörter irgend eine
3edeutung haben, sucht man danach und ersetzt den unbekannten Begriff mit
ainem bekannten, der ähnlich lautet. Auf diese Weise ist zum Beispiel aus
dem Vögelchen «grasa-smucka», dem «Grasschlüpfer», ein «grasemucca»,
eine «Grasmücke» geworden.
Ein weiteres Indiz gegen obenerwähnten «Steinwald» ist die Realprobe, d. h.
die Überprüfung des Ortes. Das Gelände scheint sich der «Stein»-Erklärung
nicht recht fügen zu wollen: es fällt uns schwer zu akzeptieren, dass an jener
steilen Waldpartie ausgebrochene Felsbrocken hätten liegen bleiben können.
An der Steilheit des Geländes scheitert auch ein anderer Versuch, den Namen
herzuleiten. Dasselbe Wort «mocke», diesmal mit weiblichem Geschlecht,
bedeutet im Mittelhochdeutschen «Schwein». Wenn wir daran denken, dass
unsere Vorfahren ihre Sauen nicht in Ställen hielten, sondern im Wald oder in
den Auen, wo es allerlei Wurzelzeug, Knollen und Eicheln zum Fressen gab,
wäre die Deutung als «Sauwald» eigentlich recht verlockend. Doch selbst
wenn wir den Schweinen unserer Väter mehr sportliche Schlankheit und