Gerade die gotische Architektur erwies sich in den Alpen den
neuen Stilen gegenüber als sehr widerstandsfähig.
Unterdessen gewann das nahe Feldkirch an wirtschaftlicher und
kultureller Bedeutung; es wurde zum kulturellen Umschlagplatz
und Reservoir für das liechtensteinische Gebiet und der weiteren
Umgebung: Man denke nur an die Malerfamilie Huber, den
Bildhauer Erasmus Kern, einen Freund der Zürn, an Ignaz Josef
Bin und an die Feldkircher Goldschmiede und Glockengießer.
Ein großer Teil spätmittelalterlicher Liechtenstein betreffende
Urkunden wurden in Feldkirch geschrieben. — Dabei hielt die
kulturelle Virulenz der süddeutschen Städte weiter an und zei-
tigte auch für unser Gebiet beachtliche Werke der Schnitzkunst.
Das Dorf Triesen erwies sich für die hoch- und spätmittelalter-
liche Kunst als besonders zugänglich, was mit den zahlreich
dort ansäßigen Familien niederen Adels und der (mit Triesen-
berg zusammen) großen Einwohnerzahl zusammenhängen mag.
Auch Vaduz als Sitz der Grafen und regierenden Freiherren war
der Kunst offen, litt aber darunter, daß der Ort keine eigene
Pfarrei war, sondern kirchlich zu Schaan gehörte (dessen reiches
kulturelles Erbe um die letzte Jahrhundertwende zum Großteil
vertan wurde). Die verheißungsvolle Entwicklung, die in Liech-
tenstein in der Spätgotik einsetzte, gedieh nicht über den Früh-
barock hinaus. Die endlosen Kriege, die Mißwirtschaft der Ho-
henemser, Pest und Hexenwahn, die politischen Wirren und
Kriege der Franzosenzeit, innenpolitische Spannungen und Hun-
gerjahre verlagerten die Interessen auf die Mittel und Wege, wie
das nackte Leben bestanden werden könne. Und als sich im
Laufe des 19. Jahrhunderts ıdie politischen und wirtschaftlichen
Verhältnisse etwas konsolidiert hatten, schadete Unverständnis
soviel, als Krieg und Wirren die kulturelle Entwicklung gehemmt
hatten. Mit der Gründung des Historischen Vereins für das Für-
stentum Liechtenstein im Jahre 1900 begann die Einsicht für den
Wert des kulturellen Erbes langsam zu wachsen. Der Verein
suchte zu sammeln und zu retten. Und als nach etwas mehr als
so Jahren das heutige Landesmuseum bezogen werden konnte,
war ein entscheidender Schritt zur Besserung der Zustände getan.
Einige Früchte dieses Bemühens zeigt das vorliegende Bändchen.
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