Volltext: Zur heutigen Lage des liechtensteinischen Parlaments

Aktivitäten neben seinem Hauptberuf ausübt. Er ist ein «Freier», der einen Teil seiner Zeit dem Staat zur Verfügung stellt. Der Miliz­ parlamentarier steht im Gegensatz zum vollamtlichen Berufsparla­ mentarier. Der Milizabgeordnete wird nicht zum staatlichen «Funk­ tionär», er bewahrt seine Unabhängigkeit gegenüber dem Staat, für den er sich aber mitverantwortlich fühlt. Auch die liechtensteini­ schen Abgeordneten sind Milizparlamentarier. Die Milizparlamen­ tarier bringen fachliche Erfahrung und Bewährung mit ein in das Parlament. Sie stehen in ihrem Beruf der Bevölkerung nahe und sind zahlreichen sonstigen Gruppierungen zugehörig. Der Milizparlamen­ tarier wird von diesen Kreisen als einer der ihrigen betrachtet, viel mehr als der in eine besondere Kaste aufgestiegene Berufsparlamen­ tarier. Jener bringt Verbindungen zur Bevölkerung und den ihm nahe­ stehenden Gruppen mit, ist aber zugleich — ohne zu übersehen, dass die Interessenbindungen auch zu weit gehen können — unabhängiger, weil er, beruflich gesichert, weniger unter dem Diktat der Wieder­ wahl steht als der Berufsparlamentarier. So ist der Milizabgeordnete auch in seiner Meinungsäusserung ungebundener, und da man ihn vom Beruf her und im Alltagsleben — ein Vorteil der überschaubaren Ver­ hältnisse — kennt, hat er es nicht so nötig, im Landtag «zum Fenster hinaus» zu reden. Die grossen Vorteile des Milizparlamentariertums, das Volksverbun­ denheit und Nähe wie Unabhängigkeit der Abgeordneten verbürgt, sind offenkundig — und wäre der Landtag genügend breit angelegt, hätten nahezu alle Bevölkerungsgruppen die Chance, ihnen näher­ stehende Abgeordnete im Parlament zu haben. Doch auch gewisse Nachteile des Milizsystems sind nicht zu übersehen. Die Gefahr des beruflich eingebundenen Abgeordneten, Interessenvertreter statt Volksvertreter zu sein, ist latent vorhanden. Die Belastbarkeit des nebenberuflich tätigen Parlamentariers stösst auf Grenzen. Wer seine Aufgaben im Landtag und die Vorbereitung der Geschäfte, die Arbeit in den Kommissionen und Delegationen, in der Fraktion, in der Ge­ meinde und im Wahlkreis, in der Partei, in Ortsgruppen, Veranstal­ tungen und Abstimmungskampagnen und gegenüber der Presse und Öffentlichkeit entsprechend wahrnimmt, ist jährlich zwischen 1—3 und noch mehr Monaten in Anspruch genommen. Entweder leidet so die sorgfältige Aufgabenwahrnehmung des Abgeordneten, oder man­ chem Befähigten, selbständig oder unselbständig erwerbstätigem Bür­ ger, ist es verunmÖglicht, im Landtag mitzuwirken. Je mehr die Be­ 74
	        

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