Volltext: Zur heutigen Lage des liechtensteinischen Parlaments

In diesem Zusammenhang stellen sich Fragen: wie weit reflektiert der Landtag seinsmässig die Pluralität der Landesangehörigen? Und wie weit kann er seiner Berufung nachkommen, die Rechte und Interes­ sen des Volkes gegenüber der Regierung zu vertreten und im Rahmen seiner verfassungsmässigen Zuständigkeiten durchzusetzen? Auf der andern Seite ist der einmal bestellte Landtag in seiner Exi­ stenz für 4 Jahre81 wie auch in seinen Kompetenzen82 vom Volke un­ abhängig. Er hat im Gegenteil, unter Wahrnehmung der verfassungs­ mässigen eigenen Kompetenzen das «Wohl... des Landes» und da­ mit das Wohl des Ganzen (Gemeinwohl) «möglichst zu fördern». Einerseits ist dies eine Berufung, anderseits huldigt die Verfassung durch die Worte «möglichst zu fördern» einer realistischen Betrach­ tungsweise. Der Landtag ist in seinen Handlungen unabhängig von Gruppeninteressen, weil auch der einzelne Abgeordnete auf die Un­ abhängigkeit und die Ausrichtung auf das Gesamtwohl festgelegt ist.83 Jeder Abgeordnete hat zu schwören, «in dem Landtage das Wohl des Vaterlandes ohne Nebenrücksichten nach bestem Wissen und Gewis­ sen zu fördern» (Art. 54 Verf). Und alle «Mitglieder des Landtages stimmen einzig nach ihrem Eid und ihrer Überzeugung» (Art. 57 Abs. 1, Satz 1, Verf). Es fällt auf, dass der Abgeordnete für sein Ab­ stimmungsverhalten, dies im Unterschied zu anderen Verfassungen, nicht nur auf seine Überzeugung, sondern auch auf seinen Eid, «das Wohl des Vaterlandes ohne Nebenrücksichten ... zu fördern», fest­ gelegt ist. Hinzu kommt der für die Unabhängigkeit des Abgeord­ neten besondere Schutz, wonach der Abgeordnete niemals für seine Abstimmungen und auch nicht für seine im Landtag und in Land­ tagskommissionen gemachten Äusserungen gerichtlich belangt werden kann (sog. Indemnität: Art. 57 Abs. 1 Verf). Dies alles gibt der ver­ fassungsmässig zugewiesenen Machtausübung auch jene innere Unab­ hängigkeit, die dem Parlament seine besondere Würde und Verant­ wortung verleiht. 81 Eine Einschränkung besteht darin, dass das Volk den Landtag durch Volksab­ stimmung vorzeitig auflösen kann (Art. 48 Abs. 3 Verf). Wie das Parlament als Ganzes ist auch der einzelne Abgeordnete für 4 Jahre vom Volk gewählt und unabhängig. Er gelangt zwar nur über eine Wählergruppe auf eine Wahlliste, aber mit der Wahl wird jeder Abgeordnete einzeln und direkt vom Volke legi­ timiert; Hesse, 242f.; Zur Sache 3/76, 77. Systembrüche bestehen in bezug auf die stellvertretenden Abgeordneten, die im heutigen Ausmass nicht als durch das Volk legitimiert betrachtet werden können (vgl. Ausführungen S. 62ff.), und in bezug auf die individuelle Abberufungsmöglichkeit von gewählten Abgeord­ neten durch die betreffende Wählergruppe (vgl. Ausführungen S. 75ff.). 44
	        

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