Volltext: Zur heutigen Lage des liechtensteinischen Parlaments

Aufgrund der nahezu gleich starken Stellung der beiden Parteien wäre zu erwarten, dass sich der bipolare Typ mit dem Mehrheitsprinzip als politisches System durchgesetzt hätte.277 Dieser Typ stand auch, verbunden mit harten bis extremen Parteikämpfen seit der Verfas­ sung von 1921 (Landtagswahlen 1922) bis 1938 im Vordergrund.278 Kurz nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich im März 1938 beschlossen die beiden Parteien eine Koalition einzugehen, die der Minderheit entsprechende Rechte sicherte. Im Protokoll der entscheidenden Sitzung vom 18. 3. 1938279, an der die massgeblichen Vertreter beider Parteien und der Regierung teilnahmen, heisst es u. a.: «Die Anwesenden sind sich einig, dass beim Ernst der gegen­ wärtigen Lage eine politische Befriedung des Landes notwendig ist. Dieser Standpunkt deckt sich auch mit dem von der Regierung und vom Landtage in seiner Sitzung (vom 15. 3. 1938) eingenommenen.» Wenige Tage darauf kam die Koalition der beiden Parteien, begriff­ lich eine Allparteienregierung280 zustande. Sie wurde von Wahl zu Wahl, teils durch schriftliche oder mündliche Absprachen, teils durch damit (Misserfolg bei den Landtagswahlen 1953 bzw. Nichtzulassung zu den Landtagswahlen 1957) bereits ihr Ende gefunden. Am 17. 6. 1961 wurde die 
Christlich-soziale Partei (CSP) gegründet. Diese Be­ wegung entwickelte eigene Programme und besass ein Presseorgan «Der Liech­ tensteiner». Die CSP trat 1962, 1966, 1970 und 1974 zu den Landtagswahlen an, ohne dass sie Mandate erringen konnte. Seither hat die Partei ihre Tätig­ keit eingestellt, ohne dass ein formeller Auflösungsbeschluss bekanntgegeben wurde. Die Zeitung «Der Liechtensteiner» und auch ihr Nachfolger, «Der Liechtensteiner Wochenspiegel», bestehen nicht mehr. Zu den Landtagswahlen seit 1945 vgl. auch Statistisches Jb 1980, 255—260; seit 1918: 267—270. m Lijphart (unter Verweisung auf R. A. Dahl, G. Lehmbruch und J. Steiner, 55ff., in Obers.): «...in einer Gesellschaft mit zwei Segmenten von annähernd glei­ cher Grösse können die Führer beider hoffen, eine Mehrheit zu gewinnen und ihre Ziele durch Herrschaft statt durch Kooperation zu erreichen.» 478 Trotz des klaren bipolaren Mehrheitsprinzips wurden von 1922—28 und von 1932—38 (ohne Koalitionsabsprachen) jeweils ein Vertreter und ein Stellver­ treter der Minderheitspartei in die Kabinette der regierenden Mehrheit aufge­ nommen (1922—28 hatte die damalige Volkspartei, ab 1928 hatte die FBP jeweils die Mehrheit der Parlamentsmandate erlangt). "• Vgl. Landesarchiv. 00 Im Sinne der Definition von Axel Vulpius, Die Allparteienregierung, Frank­ furt a. M., 1957, 4ff. Allparteienregierung besagt, dass neben den Koalitions­ parteien keine politisch relevante Oppositionspartei vorhanden ist (im Unter­ schied zur Grossen Koalition, bei welcher der Koalition der beiden stärksten Parteien eine nicht unbedeutende Opposition gegenübersteht). Vgl. auch Gustav E. Kafka, Koalition, in: Staatslexikon, Bd. 4, Spalte 1103f.; Harald Weber, Der Koalitionsvertrag, (überarbeitet von Franz Hubert Zimmermann), Bonn, 23f. Unter Koalition versteht man «das Bündnis politischer Parteien mit dem Ziel der Bildung und Stützung oder auch des Sturzes einer Regierung»; Harald Weber, ebenda, 17f. 141
	        

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