Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2000) (99)

dem Verband ausgeschlossen worden waren, zum anderen berichtete Ernst Posener, dass er selber Pfadfinder in Mauren gewesen sei und seine jüdi- sche Herkunft dabei kein Problem dargestellt habe. Dass genauere Nachforschungen über das Ver- hältnis zwischen der liechtensteinischen Pfadfin- derschaft und jüdischen Kindern in der Zeit des Na- tionalsozialismus wichtig waren, zeigte zudem ein Artikel in der «Liechtensteiner Woche» («Liewo») vom 30. November 1997. Dort wurde neben dem längeren Hinweis auf die Präsentation von Peter Geigers zweibändigem neuen Werk «Krisenzeit. Liechtenstein in den Dreissigerjahren 1928-1939» der im Buch abgebildete Reisepass von Lotte Weil wiedergegeben. Die Legende der «Liewo» darunter lautete: «Abgestempelt: Lotte Weil, die als Mädchen in Liechtenstein lebte, hatte einen <Judenstempel> in ihrem Pass. Sie wurde von den Pfadfinderinnen aus- geschlossen, weil sie Jüdin ist. Bis heute ist nicht be- kannt, wer ihren Ausschluss forderte. Heute lebt Lotte Weil in den USA.»8 Der Artikel in der «Liewo» erregte zudem die Aufmerksamkeit von Adulf Peter Goop, Vaduz, der mit Schreiben vom 3. Dezember 1997 an Elsa Hasler, Vaduz, fragte: «Ist es richtig, dass Lotte Weil von der Pfadfmdergruppe ausge- schlossen wurde, weil sie Jüdin ist? Es besteht ja die Möglichkeit, dass eine einzelne Gruppe einen ent- sprechenden Beschluss gefasst hat, der aber nicht Gültigkeit für das gesamte Korps hatte». Sowohl Adulf Peter Goop wie auch Elsa Hasler waren sei- nerzeit aktive Mitglieder der Pfadfinderschaft gewe- sen: Adulf Peter Goop als Rottmeister der Rover- gruppe9 Schellenberg, Elsa Hasler als Pfadfinder- führerin in Vaduz. 
VORGEHEN Wir wollten den geäusserten Vorwürfen durch Sichtung von Quellenmaterial sowie durch Inter- views auf die Spur kommen. Gerade auch mit den seinerzeit von der Pfadfinderschaft Ausgeschlosse- nen wurde, soweit als möglich, Kontakt aufgenom- men, eine Geste, welche diese «ausserordentlich gefreut» hat.10 In zwei fast gleichlautenden Schrei- ben wandte sich am 7. Januar 1998 der Präsident der «Pfadfinder und Pfadfinderinnen Liechten- steins» (PPL), Lukas Laternser, an Lotte Rogers, ge- borene Weil, sowie an Fritz Baum: «Durch die Ver- öffentlichung des Buches <Krisenzeit> von Peter Geiger ... sind wir darauf aufmerksam geworden, dass Sie in dieser Zeit von den Pfadfinderinnen [Pfadfindern] ausgeschlossen wurden. Der Grund hierfür lag allein in Ihrer Zugehörigkeit zur jüdi- schen Glaubensgemeinschaft. Dies hat uns sehr be- troffen. Sicherlich können wir nur zum Teil die Prob- leme und Ängste jener Zeit nachvollziehen. Den- noch können diese Umstände höchstens eine Er- klärung, aber niemals eine Entschuldigung für das damalige Handeln ... sein. Spät, aber hoffentlich nicht zu spät, möchten wir sagen, dass es uns leid tut, dass eine Organisation, in der wir heute Mit- glieder sind, damals gegen ihre eigenen Grundsät- ze Verstössen hat. Intern werden wir versuchen, unsere Geschichte aufzuarbeiten, soweit dies heute noch möglich ist ...». Für die weiteren Recherchen wurde das folgen- de Vorgehen beschlossen: Die Sichtung des Quel- lenmaterials sowie der Literatur übernahm Klaus Biedermann. Für die Interviews wurde eine Na- mensliste von Personen erstellt, die zur damaligen Zeit aktive Mitglieder der Liechtensteinischen Pfad- finderschaft waren. Diese Personen wurden an- hand des unten stehenden Fragebogens über die Haltung der liechtensteinischen Pfadfinderschaft zum Antisemitismus in der Zeit des Nationalsozia- lismus befragt. Die Interviews führten - ausser den beiden weiter unten erwähnten Ausnahmen - Robert Büchel-Thalmaier, Märten Geiger, Ruth Kranz und Barbara Ospelt. 220
	        

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