Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2000) (99)

VERWÜSTETES LIECHTENSTEINER UNTERLAND Die Ereignisse sind auch in einem Schriftstück aus dem Archiv der Familie Rheinberger (Vaduz) be- schrieben, das von Rudolf Rheinberger ediert wor- den ist.70 Das Manifest wurde von Chronisten Jo- hann Georg Helbert aus Eschen verfasst und von den zwölf Vorstehern und Gerichtsleuten der Ge- meinden am Eschnerberg unterschrieben. Der Titel, der schon die Standpunkte der Verfasser vor- wegnimmt, lautet: «Freyheit und Gleichheit, das ist Französ. Tiraney, welche alles Übel und Unheil er- laubet. Eine Freyheit, wo weder Gesäze noch Reli- gion existieret. Eine Gleichheit, wo iedem Ne- benmenschen sein Eigenthum geraubet wirt, und er mit den seinigen jn das eüserste Elendt und Ver- derben stürzt. Nur jene, die die(se) Freyheit erfah- ren, die werden die Zeit ihres Lebens daran ge- denkhen». Die Position war also klar: anti-franzö- sisch, gegen das revolutionäre Gedankengut und auf Bewahrung der Besitzstände ausgerichtet. Nach dem erfolglosen Treffen bei Feldkirch zo- gen sich die Franzosen über den Rhein zurück. Was hinterliessen sie? Ruggell war verschont ge- blieben, Gamprin hatte etwas gelitten. Bendern hatte sehr starke Schäden davongetragen, weil es die erste Beute nach der Rheinüberquerung ver- sprochen hatte. In der Statthalterei war alles rui- niert, in der Kirche vieles zerschlagen und geraubt. Eschen und Mauren waren geplündert. Nendeln war nicht nur völlig ausgeraubt, sondern auch ver- brannt, die Zäune, Fläuser und Ställe waren meist zerstört, fast alles Vieh geschlachtet, die Wagen ge- stohlen. Die Waldungen waren «ziemlich» ruiniert, ebenso Wuhre und Wege.71 Stützt man sich auf die Chronisten, so ist es ein Irrtum, zu meinen, dass die kaiserlichen Soldaten mit der einheimischen Bevölkerung anders umge- gangen seien als die französischen Truppen: Die Bauern beklagten die Verschwendung von Heu durch das österreichische Militär: «Ihr eigenes Heu streuen sie, und wenn ihnen der Bauer das unter- sagen will, drohen sie ihm mit Prügel, diese fürch- tet der Bauer, erschreckt durch die Beispiele seiner Nachbarn und Vorsteher ... Sie reiten nebst der 
Strasse auf den offenen Feldern, zerreissen und verderben Zäune, Bäume und Wiesen».72 Während der drei Wochen, in denen die Franzo- sen das Land besetzt hielten, hatten die Talgemein- den (besonders des Unterlandes) schwer zu leiden gehabt.73 Balzers verköstigte und quartierte 3 000 Mann Infanterie, 278 Offiziere und 1 613 Kavalleris- ten samt Pferden.74 Der Balzner Schaden betrug laut amtlicher Schätzung 22 741 Gulden. «Ein Ver- gleich ist gegeben, wenn man bedenkt, dass man um 29 000 Gulden etwa 300 Kühe oder 100 Pferde hätte anschaffen können».75 DER KAMPF UM DIE ST. LUZISTEIG Zu gleichen Zeit wie in Bendern hatten die Franzo- sen auch bei Balzers über den Fluss gesetzt.76 Die Franzosen schlugen südwestlich der heutigen Rheinbrücke eine Bockbrücke, die sie mit 72 sechs- spännigen Wagen herangeführt hatten und setzten über den Strom. Eine Rheinüberquerung zu Fuss war nicht anzuraten, weil die vom Föhn geförderte Schneeschmelze die Fluten ansteigen liess, und deshalb einige Schützen ertrunken waren. Das Holz für die Brücke mussten die Bewohner von Az- moos und Trübbach heranschaffen. Danach hatte das Balzner Fuhrwesen viele erzwungene Leistun- gen zu erbringen, bis zur völligen Erschöpfung der Zugtiere.77 Am Balzner Rheinufer fanden die Franzosen we- nig Gegenwehr. Von der Schifflände in Mäls aus setzten sich drei französische Truppenteile gegen die St. Luzisteig in Bewegung. Die stärkste Gruppe sollte über die Pradwiesen frontal gegen die Fes- tung vorrücken, eine kleinere Einheit den Weg über And und Guscha suchen. Dieser Truppe gelang es schliesslich, in die Festung einzudringen. Damit war die St. Luzisteig gefallen.78 Etwa 200 Österrei- cher fielen, 800 wurden gefangen und vier Ge- schütze von den Franzosen erbeutet. Schon am nächsten Tag, am 7. März 1799, fiel Chur in fran- zösische Hände. Die österreichischen Truppen wur- den aus Graubünden vertrieben, die Alpenpässe waren in französischem Besitz. 194
	        

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