Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2000) (99)

einen Ausdruck der allmählichen Loslösung der Eidgenossenschaft aus dem alten, gesamtschwäbi- schen Verband.9 Die beiderseits gepflegten Ressentiments, zu der sich zusätzlich noch die wachsende Konkurrenz zwischen schweizerischen Söldnern und schwäbi- schen Landsknechten gesellte, waren auch eine Fortsetzung des eidgenössisch-habsburgischen An- tagonismus: Der Begriff «Schwaben» implizierte am Ende des Mittelalters in politischer und sozialer Hinsicht «Österreich». Freilich war die «mentale Frontline» keine scharfe. Die Eidgenossen hatten aufgrund ihrer prononcierten Gegnerschaft zum Adel im Schwäbi- schen, vor allem unter den Bauern, bis zu einem gewissen Grad aber auch in den Städten, durchaus Sympathisanten. Umgekehrt existierte in der Eid- genossenschaft eine gar nicht kleine prohabsburgi- sche Partei, vor allem in den Städteorten. Wenn es auch nicht zulässig ist, den österreichisch-eid- genössischen Gegensatz auf das Aufeinanderpral- len der adelig-feudalen Vorstellungen des Hauses Habsburg und seines aristokratischen Umfelds auf der einen und des genossenschaftlich-oligarchi- schen Prinzips der Länder- und Städteorte der Eid- genossen auf der anderen Seite zu verkürzen, so darf die ideologische Komponente des Konflikts, die sich aus unterschiedlichen rechtlichen, politi- schen und sozialen Gegebenheiten entwickelte, nicht ausser Acht gelassen werden. Die Eidgenossenschaft hatte Habsburg-Öster- reich zwar gegen Ende des 15. Jahrhunderts aus dem Gebiet der heutigen Schweiz weitgehend ver- drängt, eine endgültigen Abgrenzung der Interes- senzonen war aber noch nicht erfolgt. Die Eidge- nossen entwickelten nämlich eine Bündnispolitik, die sich über den Rhein nach Norden in den Süd- schwarzwald erstreckte sowie ins Oberelsass und nach Oberschwaben ausgriff. Andererseits hatte man österreichischerseits die Hoffnung auf Revin- dikationen nicht ganz aufgegeben. Eine weitere Konfliktzone lag in Graubünden, wo Österreich im Verlauf des 15. Jahrhunderts zusätzli- chen Besitz erworben hatte. Die habsburgische Prä- senz in Churrätien führte nicht nur zu lokalen Rei-bereien, 
sondern wirkte sich auch auf die «grosse» Politik aus. Für Maximilian besass Graubünden als Verkehrslandschaft beträchtliche Bedeutung, es ging um die Verbindung zum Herzogtum Mailand, seinem wichtigsten Verbündeten gegen Frankreich. Umgekehrt animierte Frankreich die Eidgenossen zu einem intensiveren Engagement im Bündner Raum, um die habsburgische Italienpolitik zu be- hindern.10 Zu den Spannungen, die aus überlappenden In- teressengebieten resultierten, kam ein erheblicher Machtzuwachs des Hauses Habsburg, der die Eid- genossen beunruhigte. Maximilian11 hatte sich auf- grund seiner Ehe mit Maria von Burgund, wenn auch nach langen Kämpfen, einen beträchtlichen Teil des burgundischen Erbes sichern können und damit der österreichischen Politik im Westen eine völlig neue Perspektive eröffnet. Ein weiterer Faktor war ein hochwirksames Bünd- nis, das Kaiser Friedrich III., der Vater Maximilians, 1487/88 zur Abwehr nach Westen gerichteter ba- yerischer Expansionsbestrebungen ins Leben geru- fen hatte. Diesem «Schwäbischen Bund»12 traten im Frühjahr des Jahres 1488 die meisten oberschwäbi- schen Reichsstädte, zahlreiche Klöster, die Ritter- schaft, Graf Eberhard von Württemberg und Herzog Sigmund von Österreich als Herr Tirols und der habsburgischen Vorlande bei. Angesichts dieses mächtigen Bündnissystems söhnten sich die Wit- telsbacher mit dem Kaiser aus. Der Schwäbische Bund erfüllte aber nicht nur seinen vordergründi- gen Zweck als Instrument zur Abwehr der bayeri- schen Expansionspolitik, sondern er entwickelte sich in weiterer Folge zu einem recht verlässlichen ausführenden Organ für Maximilian, der nach dem Tod seines Vaters, Kaiser Friedrichs III., im Jahr 1493 die gesamte habsburgische Hausmacht in sei- ner LIand vereinigte. Die Konkurrenten Österreichs hatten berechtigten Anlass zur Sorge. Insbesondere die Eidgenossenschaft fühlte sich vom Schwäbi- schen Bund in ihren Interessen beeinträchtigt, aber auch unmittelbar bedroht. Vor allem die starke Posi- tion, die der traditionell antieidgenössische Adel im Schwäbischen Bund einnahm, machte ihn den Eid- genossen suspekt. Umgekehrt musste Maximilians 144
	        

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