Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2000) (99)

DER «SCHWEIZER-» ODER «SCHWABENKRIEG» VON 1499 ALOIS NIEDERSTÄTTER sehen Bodensee und Alpen, insbesondere auf Vor- arlberger Boden, im linksseitigen Alpenrheintal so- wie in Schwaben territorial zu Buche schlugen.4 Erst die Auseinandersetzungen im Verlauf des 15. Jahrhunderts, vor allem die eidgenössischen Feld- züge des Jahres 1415 gegen Herzog Friedrich IV. von Österreich nach dessen Ächtung am Konstan- zer Konzil, der «Alte Zürichkrieg» in den 1440er Jahren und der Thurgauer Krieg von 1460 setzten der habsburgischen Präsenz auf dem Gebiet der nachmaligen Schweiz nach und nach ein Ende. Die Folge war ein Aussondern der Herrschafts- beziehungsweise Einflusszonen. Das Entstehen ei- ner Grenze5 entlang des Hochrheins, des Boden- sees und des Alpenrheins rückte schliesslich einen dauerhaften Frieden in den Bereich des Möglichen. Die Bedrohung durch den Burgunderherzog Karl den Kühnen liess die Eidgenossenschaft und Habs- burg erstmals enger kooperieren, die sogenannte «Ewige Richtung», ein Freundschaftsvertrag mit gegenseitigen Hilfsverpflichtungen und dem aus- drücklichen habsburgischen Verzicht auf die an die Eidgenossen gefallenen, ehedem österreichischen Gebiete, bildete 1474 die vertragliche Basis dafür. Die alten Gegner waren durch die «Ewige Rich- tung» einer endgültigen Beilegung ihres latenten Konflikts näher gekommen. Auch Maximilian I. verzichtete bald nach seiner Wahl zum römischen König auf territoriale Ansprüche gegenüber den Eidgenossen.6 Es blieben freilich noch genug Reibungsflächen, insbesondere im ideologischen und mentalen Be- reich. Die Schweizer hatten sich seit dem ausge- henden 14. und vor allem im 15. Jahrhundert eine Befreiungsmythologie zurechtgelegt, um die terri- torialen Verluste, die sie den Habsburgern zufüg- ten, zu rechtfertigen. Die Bestandteile dieses vor- geblichen Befreiungsgeschehen sind hinlänglich bekannt. Auch alle weiteren Aktionen gegen Habs- burg wurden in diese Rechtfertigungstrategie inte- griert. Schon aufgrund dieser Ideologisierung des Konflikts, die breite Kreise der eidgenössischen Be- völkerung erfasste, war eine rasche Aussöhnung von dieser Seite her kaum zu erwarten. Ausserdem war seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert in der 
Innerschweiz ein positiv belegtes bäuerliches Selbstbewusstsein entstanden, dessen Träger sich in einem bewussten Gegensatz zur adeligen Sphäre des habsburgischen Umfelds sahen.7 Umgekehrt argumentierte man im österreichischen Machtbe- reich, wenn es um eine Artikulation des Verhältnis- ses zu den Eidgenossen ging, bewusst feudal. Maxi- milian I. sprach von den «groben, bösen, schnöden Bauersleuten, denen keine Tugend, kein adeliges Geblüt, keine Mässigung, sondern nur Üppigkeit, Untreue und Hass innewohnten.»8 In Schwaben wiederum hatte sich eine heftige Antipathie gegen die Eidgenossen entwickelt. Der Konstanzer Historiker Helmut Maurer sieht diese nach der Mitte des 15. Jahrhunderts sich zu gegen- seitigem Hass steigernde Aversion als Folge sozia- ler und politischer Differenzierung und damit als 4) Feine, Hans Erich: Die Territorialbildung der Habsburger im deutschen Südwesten. In: Zeitschrift für Rechtsgeschichte, Germa- nistische Abteilung 67 (1950), S. 176-308. 5) Schib, Karl: Zur Geschichte der schweizerischen Nordgrenze. In: Zeitschrift für Schweizerische Geschichte 26 (1947), S. 1-35; Mar- chai, Guy P: Die Eidgenossen, das Bistum Konstanz und die Rhein- grenze im 15, Jahrhundert. Einladung zu einem Perspektivenwech- sel. In: ltinera 16 (1994), S. 74-89. 6) Niederstätter, Alois: Das Jahrhundert der Mitte. An der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Wien, 1996, S. 156-163, 317-328; Heinig, Paul-Joachim: Friedrich III., Maximilian I. und die Eidgenos- sen. In: Die Eidgenossen und ihre Nachbarn im Deutschen Reich des Mittelalters. Hrsg. Peter Rück, Marburg an der Lahn, 1991, S. 267-293. 7) Marchai, Guy P.: Die Antwort der Bauern. Elemente und Schich- tungen des eidgenössischen Geschichtsbewusstseins am Ausgang des Mittelalters. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusst- sein im Spätmittelalter. Hrsg. Hans Patze, Sigmaringen, 1987 (Vorträge und Forschungen 31), S. 757-790; Weishaupt. Matthias: Bauern, Hirten und «frume, edle puren». Bauern- und Bauernstaats- ideologie in der spätmittelalterlichen Eidgenossenschaft und der nationalen Geschichtsschreibung der Schweiz. Basel. Frankfurt a. M., 1992. (Nationales Forschungsprogramm 21: Kulturelle Vielfalt und nationale Identität.) 8) Wiesflecker, Hermann: Regesta lmperii 14. Ausgewählte Regesten des Kaiserreichs unter Maximilian I. 1493-1519. Bd. 3/1: Maximili- an I. 1499-1501. Wien, 1996, Nr. 9124. Vgl. auch Maitz, Erika: König Maximilian I. und die Eidgenossenschaft von seinem Regie- rungsantritt bis zum Ende des Schweizerkriegs. Diss. Phil. Graz. 1974 (Maschinenschrift!. Ms.). 143
	        

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