ZUR BAUGESCHICHTE DES HOTELS LÖWEN - EINER
JAHRHUNDERTEALTEN TAVERNE / PETER ALBERTIN
Umbau und Erhöhung von 1786
Der bisherige Eigentümer Joseph Ferdinand Leon
Rheinberger, 1734 bis 1814, vermählte sich 1786 in
zweiter Ehe mit der verwitweten Engelwirtin Fran-
ziska Seger und zog in den Engel um. Den Löwen
übergab er seinem erst 23-Jährigen Sohn Johann
Rheinberger, 1763 bis 1815. Dieser nutzte die Gunst
der Stunde, denn im Zeitraum von 1770 bis 1786
wurde die «Deutsche Strasse» von Bregenz bis
Chur vom Saumpfad und Karrenweg zur befahrba-
cen Strasse ausgebaut, das Verkehrsaufkommen
nahm dadurch stark zu. Er modernisierte den
‚öwen und erhöhte ihn um ein zweites Oberge-
schoss, wodurch weitgehend der uns heute vorlie-
gende Gasthof in seiner markant spätbarocken Ge-
staltung entstand.
Die Baumassnahmen umfassten im Altbau vor
allem den Ersatz der bisherigen Butzenscheiben
durch lichtdurchlässigere, fein profilierte Spros-
senfenster (Abb. 20), wie sie seit Mitte des 18. Jahr-
hunderts von Frankreich her kommend vorerst an
Zürgerhäusern, dann im ausgehenden 18. und
oeginnenden 19. Jahrhundert auch an Bauernhäu-
sern an Beliebtheit gewannen. Dabei wurden in-
aenseits gleich die Fensterleibungen etwas gewei-
‚et und die für Butzenscheiben konzipierten, nun
veralteten Sitzbänke in den Fensternischen ent-
"ernt, denn nun flutete Licht in die Räume. Aus-
senseits gerundete, hölzerne Kreuzstöcke unterteil-
ten die Öffnungen der Fenster. Diese Fenster von
1786 gehörten hierzulande zu den ersten Spros-
senfenstern schlechthin.“ Diverse dieser Fenster-
lügel sind bis 1986, also während 200 Jahren, in
Funktion verblieben - nun aber mit der aktuellen
Aenovation ersetzt. In der zweiten Hälfte des 18.
Jahrhunderts übernahmen ziervolle Schrankmöbel
die Funktion des Raumschmuckes —- damit aber
haben Wand- und Deckenmalereien ausgedient.
So liess Johann Rheinberger denn auch alle Räume
ım Altbau neu überputzen und damit die 1744
angebrachten Ausmalungen verdecken. Die räum-
ıiche Erweiterung um ein zweites Obergeschoss
verlangte nach Einbau eines breiteren, zweiläufi-
gen Treppenaufganges vom Erdgeschoss bis ins
Jachgeschoss, versehen mit einem schmucken Ba-
‚ustraden-Geländer barocker Art. Ein in der Süd-
westmauer des Ganges 15 gelegenes, 1744 ausge-
maltes Fenster wurde dabei zugemauert. Aus den
Rentamtsrechnungen von 1786*°° über die Einnah-
men der herrschaftlichen Ziegelei Nendeln ist zu
entnehmen, wie Johann Rheinberger für seinen
Umbau 5130 Stück Dachziegel, 2550 Stück Ton-
platten für Fliesenböden und 78 Stück Schnittlinge
ispezielle Dachziegelformen) bezog.*!
Im Kellergeschoss sind keine wesentlichen, den
Umbaumassnahmen von 1786 zugewiesenen Ver-
änderungen festgestellt. Und auch das Erdgeschoss
verrät wenig von den Eingriffen um 1786; nebst
ler Erneuerung und Weitung der Fenster und ei-
nem Türdurchbruch zwischen den Räumen 13 und
14 dürften die Bauarbeiten vor allem Bodenbeläge
und Wandverkleidungen betroffen haben. Die be-
stehende Bau- und Raumstruktur blieb respektiert.
Der Raum 13 erhielt zwei neue Türdurchbrüche
ınd eine Trennwand eingestellt (Abb. 17). Raum
L& wurde gegenüber Raum 15 durch eine Scheide-
wand abgetrennt.
Das erste Obergeschoss entbehrte ebenso wie
das Erdgeschoss wesentlicher struktureller Ände-
rungen. Zu Gunsten der neuen, breiteren Treppe
wurde die Trennwand zwischen den Räumen 24
einerseits und 25-26 andererseits um etwa 60
Zentimeter zurückversetzt und das hier über Raum
24 ziehende, bemalte Deckengebälk abgetrennt
(Abb. 25). Zu den Fenstern gelten dieselben Be-
funde wie im Erdgeschoss. Auch hier haben wir
noch einige Fensterflügel von 1786 bis ins Jahr
1987 in Verwendung vorgefunden.
29) Am museal versetzten «Schellenberger»-Wohnhaus sind sogar
1793 d noch neue «unechte» Butzenfenster angeschlagen worden.
Butzenscheiben sind mundgeblasen, die Verdickung im Zentrum,
zenannt «Butzen», war der Blasrohransatz. «Unechte» Butzenschei-
Jen sind aus Flachglas geschnitten und kommen in der Übergangs-
zeit vom Butzenglas zum Sprossenfenster verbreitet vor.
30) Ospelt, Josef: Aus den Rentamtsrechnungen für 1786: In: JBL,
Band 48 (1948), S. 21 £.
31) Interessant sind hieraus auch die gesamten Produktionsmengen
ler hierzulande einzigen Ziegelei: Im ganzen Jahr 1786 wurden
Irei Brände beschickt mit insgesamt 17 850 Dachziegeln, 1 510
Bodenplatten, 150 Schnittlingen und 158 Hohlziegeln (als Firstzie-
gel): zudem drei Brände Kalk