DAS ALTE PFARRHAUS AUF DEM KIRCHHÜGEL
BENDERN / GEORG MALIN
BAUPERIODE 4
BAULICHE VERÄNDERUNGEN IM 18. UND
FRÜHEN 19. JAHRHUNDERT
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts beflügelte
die barocke Reform- und Baufreude wenigstens in
Ansätzen auch die Mönche von St. Luzi in Bendern.
Eine dieser Persönlichkeiten war Abt Milo Rieger
(+ 1725), erst Administrator in Bendern, dann Abt.
Er und seine Nachfolger planten in den ersten
Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts, den Sitz des
Klosters St. Luzi von Chur nach Bendern zu ver:
‚gegen. Der Plan wäre beinahe realisiert worden.
Schliesslich aber waren der Generalvisitator, der
Bischof von Chur und der Papst dagegen. Den:
noch wurde in Bendern gebaut. Die Statthalterei
wurde um 1730 umfassend renoviert.** Es entstan-
den Entwürfe zu aufwendigen und repräsentativen
Barockanlagen als Zugang zum Kirchhügel von
Bendern.®® Das alte Pfarrhaus aber blieb von grös-
seren Eingriffen in die Bausubstanz bis zur Mitte
des 18. Jahrhunderts verschont. Darüber vermag
die bereits eingangs zitierte Urkunde von 1751
Näheres auszusagen (siehe Anhang).
Beinahe gegenläufig zum barocken Auftreten zu
3eginn des 18. Jahrhunderts verpachteten die
Weissmönche sozusagen den ganzen landwirt-
schaftlichen Betrieb, den Weinbau, mit Vorbehalt
jedoch der Erträgnisse aus den Wäldern und der
St.-Luzi-Lehnsgüter sowie der beiden Gärten, Ins-
besondere des «am großen Kürchweeg nächst dem
alten hauß» gelegenen, und der Einkünfte aus
geistlichen Diensten, sonst aber alles, auch das
«alte hauß». Im alten Pfarrhaus behielt der Pfarrer
nur den grossen Keller (Keller 2) und zwei Zimmer,
welche der Geistliche bewohnte und die zusam-
mengehörten.
Und dann folgt in der Urkunde für die Belange
der Baugeschichte des Hauses eine wichtige Stelle:
Jer «alte keller, torkhl sambt denen der statthal-
terey aigenthumlichen büttenen und züber, auch
darneben stehenden zimmer, nicht minder die
drey oder vier noch übrige zimmer und kornbo-
den» wurden den Pächtern überlassen. Überdies
bauten die Mönche für die Vertragspartner «ein
kuchel und stuben» im alten Pfarrhaus. Es wurde
«heiter und klar» ausbedungen, dass im Brandfall
die Pächter hafteten. Das Wasch- und Backhaus in
der Westecke des Gartens bei der Statthalterei
nutzten beide Parteien gemeinsam. Der «grosse
stadl zu Bendern», «der Zechend stadl» und auch
die «hütten und scherm auf der alp», alle diese
Bauten wurden verpachtet.?® Soviel zu Häusern
ınd Bauten.
Wir müssen also zusammenfassend, was die
nutzbaren Räume im alten Pfarrhaus betrifft, fest-
ıalten, dass beide Keller (Keller 1, 2) um 1751
ıoch genutzt wurden, ebenso der Torkel. Die im
Erdgeschoss gelegenen Zimmer durften anschei-
ı1end die Pächter nutzen; es musste sich dabei um
zäume handeln, die über den Kellergrundrissen
.agen. Welche zwei Zimmer vom damaligen Pfarrer
)ezogen waren, lässt sich aufgrund der Urkunde
ıicht sagen. Es ist kaum anzunehmen, dass die neu
eingerichtete Küche für die Pächter im ersten Ober-
geschoss war, vielleicht jene des Pfarrers. In der
aahen Statthalterei lag der Küchenraum in der
Nordecke des Hauses, über dem Keller. Ferner be-
zichtet der Vertrag von einer neuen Stube und drei
oder vier weiteren Zimmern, welche den fünf Päch-
tern zustanden, also ein Raumprogramm, das nur
in einem Grundriss unterzubringen war, welcher
mit verfügbaren Räumen über dem Keller 1 an der
Südwestseite des Hauses rechnen konnte. Mit
anderen Worten: Das Haus muss Mitte des 18
30) Peter Kaiser, wie Anm. 6, 5. 427, siehe auch Apparat 5. 446,
Anm. 236. - Johann Baptist Büchel, wie Anm. 4, S. 52-56.
31) Johann Baptist Büchel. wie Anm. 4,5. 55 f., 118, 169.
32) Otto Seger, wie Anm. 7, S. 112-114. — Peter Kaiser, wie Anm. 6,
S. 427-430, 468-471, Literatur im Apparat.
33) Johann Baptist Büchel, wie Anm. 4, 5. 57-63, 118.
34) Erwin Poeschel, wie Anm. 3, 5. 253 f.
35) «Project füer güethlicher sanction Entzwischen einem Löbl.
Yarrhaus Bendern und dennen Ersamen Gemeindt Bendern Gam-
„rin, Eschen, Ruggell», Tiroler Landesarchiv Innsbruck, Urkunde
[/4581. - Kopie im LLA, 1/4584.
36) Der grosse Stadel zu Bendern befand sich an der Stelle, wo
der heutige Gasthof Löwen steht. Zu den zitierten Stellen vgl. die
Urkunde vom 12. März 1751, Anhang.
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