Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (98)

widmeten sich die Mönche dem Innenausbau des 
Hauses (z. B. Räume 12, 13, 15). Die aufgehenden 
Mauern dürften zum grössten Teil ebenfalls dem 
dritten und vierten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts 
zugeordnet werden. Auch die Bauten auf der alten, 
der Kirche zugeordneten Kelleranlage (Keller 1) 
waren - zumindest im Konzept - in die architekto- 
nische Gestaltung miteinbezogen. Die Erstellung 
des Torkels und des grossen Weinkellers in der vor- 
gefundenen Erscheinung kann als letzter Vorgang 
der Bauphase 3 angesehen werden und dürfte um 
1700 stattgefunden haben. 
Die Prämonstratenser von St. Luzi in Chur 
waren während der intensivsten baulichen Tätig- 
keit am alten Pfarrhaus in Bendern im Zeitraum 
von 1633/1644 am Ende ihres 100-jährigen Exils 
auf dem Kirchhügel von Bendern angelangt. 
Graubünden war damals Schauplatz rivalisieren- 
der europäischer Mächte. Zwar hatte der Abt von 
St. Luzi schon 1624 — auf österreichischen Druck 
ain — Güter und das zerfallene Kloster in Chur 
zurückerhalten. Der österreichische Kaiser und 
Wallenstein versprachen am 18. Juni 1629, das 
Kloster zu schützen. Allein die allgemeine Un- 
sicherheit während des Dreissigjährigen Krieges, 
das Misstrauen gegenüber den Bündnern und die 
in Chur besonders arg wütende Pestwelle führten 
die Mönche immer wieder nach Bendern in ihre 
Statthalterei,®*® wo sie auch Pfarrdienste verrichte- 
ten und dank des Bodenbesitzes eine Existenz- 
grundlage hatten. 
Die bestimmende und führende Persönlichkeit 
unter den Mönchen von St. Luzi scheint zur Bauzeit 
der Periode 3 des alten Pfarrhauses Johannes Kopp 
(+ 1661) gewesen zu sein.? Er war als Pfarrer von 
Bendern auch Administrator und —- nach 1639 — 
Abt von St. Luzi. Als Johannes IV. wirkte er segens- 
reich für das Kloster und galt als eigentlicher Wie- 
derhersteller der Klostergemeinschaft von St. Luzi 
in Chur. Das alte Pfarrhaus von Bendern verweist 
auf seine reformerische Tätigkeit. 
Das barocke Pfarrhaus sollte in der Geschichte 
Liechtensteins eine besondere Rolle spielen. Denn 
hier versammelten sich am 16. Mai 1699 alle Män- 
ner der Herrschaft Schellenberg, die mehr als 14 
Jahre alt waren - 273 an der Zahl -, am Morgen 
zwischen neun und zehn Uhr. Sie sollten dem 
neuen Landesherrn, Fürst Johann Adam Andreas 
von Liechtenstein (1657-1712), vertreten durch 
Amtmann Johann Franz Bauer, den Huldigungseid 
eisten. Die Gäste begaben sich in die Wohnung des 
>farrers. Niemand erwartete eine «Diffikultät» 
der gar eine Verweigerung der Eidesleistung. Da 
neldeten sich Landammann und Geschworene der 
derrschaft Schellenberg, begleitet von Fürsprech 
"ranz Braun, Stadtrat in Feldkirch, und begehrten 
zusätzliche Sicherheiten in Betreff Einhaltung alter 
Rechte und Gewohnheiten — nicht unbegründet, 
wie es sich später herausstellte. Die Verhandlungen 
zogen sich bis nachmittags vier Uhr hin. Dann 
kamen der Landammann Andreas Büchel, die 
Geschworenen und die stimmberechtigten Männer 
im Hof vor dem Pfarrhaus zusammen. Die kaiser- 
liche Kommission und der Delegierte des Fürsten 
begaben sich zum Söller des Pfarrhauses hinaus, 
wo der Kaiserliche Kommissar, Johann Jakob 
Motz, «durch das Fenster hinunter gegen den 
Kirchhof hinüber» an die Versammlung sprach und 
sie zum Eid auf die neue Herrschaft aufforderte. 
Am späten Nachmittag schworen die Männer der 
Herrschaft Schellenberg Fürst Johann Adam And- 
ceas Treue.** Seit diesem Vorgang sind beinahe 300 
Jahre verflossen.
	        

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