Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (98)

LANDESVERRAT: DER FALL DES 1944 IN DER SCHWEIZ 
HINGERICHTETEN ALFRED QUADERER / PETER GEIGER 
zer Gefängnissen einsassen, im selben Sinne fest: 
Handlungen gegen die militärische Bereitschaft der 
Schweiz im Zweiten Weltkrieg seien letztlich indi- 
rekt auch gegen Liechtenstein gerichtet gewesen. 
VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT: DEN KLEINEN 
GEHÄNGT? 
Trotz allem —- war die Todesstrafe für die Verrats- 
ıandlungen von Alfred Quaderer und seinesglei- 
»hen wirklich verhältnismässig? Hat man ihn nicht 
als den sprichwörtlichen Kleinen exekutiert? 
In der Tat waren die Verurteilten, wie auch 
Quaderer, in der Regel arm oder ärmlich, nicht vom 
Leben verwöhnt, auch wenn sie nicht aus Not 
handelten, schlecht integriert auch. So schwer ge- 
wogen wurden ihre Vergehen aber, weil sie den 
vitalsten Bereich, Existenz und Leben, betrafen. 
Ind weil es Taten waren, nicht nur Gedanken oder 
Worte, sondern Werke, verboten, von Sanktion 
bedroht, fassbar. Und weil diese eindeutig waren, 
nicht ambivalent wie etwa wirtschaftliche Koope- 
ration und Kollaboration. Denn die wirtschaftliche 
Zusammenarbeit mit Hitlerdeutschland, insbeson- 
dere die Lieferung von Rüstungsmaterial und 
kriegswichtigen Gütern, war nicht nur nicht gene- 
rell verboten, sondern hatte aus Schweizer wie 
Liechtensteiner Sicht immer auch als nützlich er- 
achtete Seiten, indem sie Arbeit schuf, die lebens- 
wichtigen Einfuhren aus dem Reich sicherte, viel- 
leicht Hitler gar vom Angriff abhielte. 
So kann man sagen: Ja, man hat mit den Lan- 
desverrätern in der Schweiz, einschliesslich Qua- 
derer, die Kleinen erschossen, aber nicht weil man 
aur die Kleinen hängen und die Grossen laufen 
lassen wollte, sondern weil sie, obwohl Kleine, 
Grosses verbrochen, das Land und das Leben der 
Bewohner durch Verrat tödlich gefährdet hatten. 
Dass dem so war, dessen waren sich allerdings 
Quaderer und Roos und manche andere nicht wirk- 
ich bewusst. 
Und die Verhältnismässigkeit gegenüber den 
Bemühungen der Anschluss-Leute, hierzulande der 
Anschluss- und «Umbruch»-Aktivisten der «Volks- 
deutschen Bewegung in Liechtenstein»? Waren sie 
etwa besser als Quaderer? Die Frage nach der Ver- 
hältnismässigkeit ist auch die Frage nach der Ge- 
rechtigkeit. Gegenüber der tödlichen Konsequenz, 
welche Quaderer als militärischen Landesverräter 
:raf, empörte damals und störte noch später viele 
im Fürstentum das ungeschorene Davonkommen 
vieler und Grösserer, welche ähnliche Ziele mit an- 
dern Mitteln angestrebt hatten. Wie gezeigt, wäre 
Juaderer in Liechtenstein mit etwa zwei Jahren 
Kerker davongekommen. Man hat in Liechtenstein 
gewartet, bis der Krieg vorbei war, und dann jene 
Bewegungs-Führer, die 1939 den Anschlussputsch 
verantworteten, auch gerichtlich abgeurteilt, eben- 
so den ab 1940 tätigen, anschlussbereiten Landes- 
leiter der «Volksdeutschen Bewegung», Dr. Alfons 
Goop, der für die einheimische NS-Bewegung und 
°ür deren Mitleiter, einschliesslich «Umbruch»- 
Kampfblatt-Redaktoren, die ganze Verantwortung 
und eine mehrjährige Strafe auf sich nahm. 
J 
e_
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.