LANDESVERRAT: DER FALL DES 1944 IN DER SCHWEIZ
HINGERICHTETEN ALFRED QUADERER / PETER GEIGER
zer Gefängnissen einsassen, im selben Sinne fest:
Handlungen gegen die militärische Bereitschaft der
Schweiz im Zweiten Weltkrieg seien letztlich indi-
rekt auch gegen Liechtenstein gerichtet gewesen.
VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT: DEN KLEINEN
GEHÄNGT?
Trotz allem —- war die Todesstrafe für die Verrats-
ıandlungen von Alfred Quaderer und seinesglei-
»hen wirklich verhältnismässig? Hat man ihn nicht
als den sprichwörtlichen Kleinen exekutiert?
In der Tat waren die Verurteilten, wie auch
Quaderer, in der Regel arm oder ärmlich, nicht vom
Leben verwöhnt, auch wenn sie nicht aus Not
handelten, schlecht integriert auch. So schwer ge-
wogen wurden ihre Vergehen aber, weil sie den
vitalsten Bereich, Existenz und Leben, betrafen.
Ind weil es Taten waren, nicht nur Gedanken oder
Worte, sondern Werke, verboten, von Sanktion
bedroht, fassbar. Und weil diese eindeutig waren,
nicht ambivalent wie etwa wirtschaftliche Koope-
ration und Kollaboration. Denn die wirtschaftliche
Zusammenarbeit mit Hitlerdeutschland, insbeson-
dere die Lieferung von Rüstungsmaterial und
kriegswichtigen Gütern, war nicht nur nicht gene-
rell verboten, sondern hatte aus Schweizer wie
Liechtensteiner Sicht immer auch als nützlich er-
achtete Seiten, indem sie Arbeit schuf, die lebens-
wichtigen Einfuhren aus dem Reich sicherte, viel-
leicht Hitler gar vom Angriff abhielte.
So kann man sagen: Ja, man hat mit den Lan-
desverrätern in der Schweiz, einschliesslich Qua-
derer, die Kleinen erschossen, aber nicht weil man
aur die Kleinen hängen und die Grossen laufen
lassen wollte, sondern weil sie, obwohl Kleine,
Grosses verbrochen, das Land und das Leben der
Bewohner durch Verrat tödlich gefährdet hatten.
Dass dem so war, dessen waren sich allerdings
Quaderer und Roos und manche andere nicht wirk-
ich bewusst.
Und die Verhältnismässigkeit gegenüber den
Bemühungen der Anschluss-Leute, hierzulande der
Anschluss- und «Umbruch»-Aktivisten der «Volks-
deutschen Bewegung in Liechtenstein»? Waren sie
etwa besser als Quaderer? Die Frage nach der Ver-
hältnismässigkeit ist auch die Frage nach der Ge-
rechtigkeit. Gegenüber der tödlichen Konsequenz,
welche Quaderer als militärischen Landesverräter
:raf, empörte damals und störte noch später viele
im Fürstentum das ungeschorene Davonkommen
vieler und Grösserer, welche ähnliche Ziele mit an-
dern Mitteln angestrebt hatten. Wie gezeigt, wäre
Juaderer in Liechtenstein mit etwa zwei Jahren
Kerker davongekommen. Man hat in Liechtenstein
gewartet, bis der Krieg vorbei war, und dann jene
Bewegungs-Führer, die 1939 den Anschlussputsch
verantworteten, auch gerichtlich abgeurteilt, eben-
so den ab 1940 tätigen, anschlussbereiten Landes-
leiter der «Volksdeutschen Bewegung», Dr. Alfons
Goop, der für die einheimische NS-Bewegung und
°ür deren Mitleiter, einschliesslich «Umbruch»-
Kampfblatt-Redaktoren, die ganze Verantwortung
und eine mehrjährige Strafe auf sich nahm.
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