Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (98)

LANDESVERRAT: DER FALL DES 1944 IN DER SCHWEIZ 
HINGERICHTETEN ALFRED QUADERER / PETER GEIGER 
gerichtet. Die Verurteilten habe «ein schlimmes 
Schicksal» ereilt. Dieses werde wohl fortan vor je- 
der ähnlichen Versuchung abschrecken. Nach sol 
cher Einleitung - die wie im «Volksblatt»-Kommen- 
tar neben etwas Mitleid für die Verurteilten die Be- 
rechtigung des Urteils nicht in Zweifel zieht — 
kommt der «Vaterland»-Korrespondent dann zu 
seinem eigentlichen Anliegen: 
«Um aber allem falschen Argwohn und aller Ver- 
allgemeinerung im Urteil über unser Land und Volk 
entgegenzutreten, möchten wir folgendes klarstel- 
len», 
nämlich dass Liechtenstein gleich zu Beginn des 
Krieges strikte Neutralität verkündet habe, dass 
die Landesbehörden diese neutrale Haltung stets 
ängstlich geübt hätten, dass die Behörden keine 
Schuld an den dunklen Machenschaften der Spione 
trügen, vielmehr kräftig eingeschritten seien, wenn 
auf liechtensteinischem Territorium verbotener 
Nachrichtendienst aufgedeckt wurde. Der «Vater- 
land»-Text fährt fort: 
«Das liechtensteinische Volk missbilligt entschie- 
den und verurteilt die Teilnahme von Inländern an 
diesen Spionagefällen. Dass dabei in allen Fällen 
zur Hauptsache auch Schweizer massgebend betei- 
ligt waren, wird durchaus nicht als Entschuldigung 
angesehen.» 
Liechtenstein und sein Volk wolle, so schliesst die 
«Klarstellung», die Neutralitätspflichten gewissen- 
haft erfüllen und insbesondere alles vermeiden, 
was mit seinen Pflichten auf Grund des «Wirt- 
schaftsanschlusses an die Schweiz» im Wider- 
spruch stünde. 
Mehrere Aspekte sind in dieser «Vaterland»- 
Stellungnahme zum Spionageproblem interessant. 
Erstens wird die von Liechtensteinern gegen die 
Schweiz verübte Spionage deutlich missbilligt. 
Zweitens weist die vom Korrespondenten erwähnte 
«Welle der Empörung» der Liechtensteiner gegen 
die im März 1944 verurteilten liechtensteinischen 
Spione - Quaderer und Konsorten - darauf hin, 
dass deren Taten und die Urteile im Lande doch 
erregtes Tagesgespräch waren. Drittens werden 
die strengen Urteile nicht kritisiert, weder das 
Todesurteil noch die sehr langen Zuchthausstrafen. 
Viertens aber erweist sich als eigentliches Motiv für 
die ganze Stellungnahme die Sorge um das Image 
des Landes und der Liechtensteiner, und zwar ge- 
-ade im Hinblick auf die ausspionierte Schweiz, 
von der man auch wirtschaftlich völlig abhing. Die 
Klarstellung erfolgte, wie es am Schluss hiess, 
«damit nicht bei lands- und volksunkundigen Hö- 
rern und Lesern eine falsche Auffassung hervorge- 
rufen wird». 
Solche Hörer und Leser mochte es vorab in der 
schweiz, aber auch bei den nun, 1944, bald sieg- 
reichen Alliierten geben. 
Das «Liechtensteiner Vaterland» druckte neben 
dieser Stellungnahme weder die erwähnte amtli- 
che Mitteilung, wie sie in den Schweizer Zeitungen 
ınd im «Liechtensteiner Volksblatt» erschien, noch 
sonst etwas zum Fall Quaderer und Konsorten ab. 
Reine «Vaterland»-Leser erfuhren aus ihrer Zei- 
tung ausser der «Klarstellung» nichts, weder Na- 
men noch Urteile noch Vergehen noch etwas über 
den Gang des Begnadigungsgesuchs und über die 
erfolgte Hinrichtung. 
Das «Liechtensteiner Volksblatt» informierte, 
wie schon gezeigt, in dieser Sache offener. Es äus: 
serte sich erneut in der Ausgabe vom 1. April 1944, 
und zwar in einem Leitartikel (von «E.») unter dem 
breiten Titel «Staat — Volk - Einzelgänger». Die Mit- 
arbeit von Liechtensteinern an einer gegen die 
Schweiz arbeitenden grossen Spionageorganisati- 
an habe «im Lande allerhand unangenehme Gefüh- 
le wachgerufen», und «über den Rhein an uns er- 
gangene Anfragen» hätten einige «Verwunderung» 
zerade befreundeter Schweizer ausgedrückt. Der 
Leitartikler argumentiert vorerst in ähnlicher Rich- 
tung wie ein paar Tage zuvor der «Vaterland»-Kor 
respondent: Staat und Volk trügen keine Schuld, sie 
hielten die «Ehre unseres Landes» und den «guten 
Ruf unserer unbedingten Neutralität» aufrecht. Die 
Täter seien «Einzelgänger». Dann aber holt der 
„eitartikler zu einer politischen Abrechnung aus, 
indem er fragte, wie es im Fürstentum zu solchen 
Machenschaften - zu Spionage gegen die Schweiz 
für Hitlerdeutschland - kommen konnte: Den 
Boden dazu bereitet und Schuld habe jene sich 
«volksdeutsch» nennende und sich masslos auf- 
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