LANDESVERRAT: DER FALL DES 1944 IN DER SCHWEIZ
HINGERICHTETEN ALFRED QUADERER / PETER GEIGER
1942 ergangen, die erste Hinrichtung im November
1942 erfolgt. Bis dahin jedenfalls hatten Quaderer
und Roos kaum an eine solche Sanktion für ihr
Treiben gedacht.
Auch im Laufe der Untersuchungshaft waren
Quaderer und Roos, die auch im Gefängnis «in ge-
heimer Verbindung miteinander» standen, offen-
bar noch zuversichtlich. Roos schrieb nämlich aus
ler Haft an seine Mutter, sie solle, um bei Willy
Weh aus Feldkirch noch Geld zu erlangen,
«ruhig ziehmlich übertreiben: Todesurteil od. bes-
tenfalls Lebenslänglich».
Demnach erwartete Roos weder das erste noch das
zweite. Roos wie Quaderer hegten auch gar kein
ausgeprägtes Unrechtsbewusstsein. Sie sahen sich
selber eher als kleine Ganoven denn als grosse
staatsverräter. Zudem vertrauten sie auf ihre Ju-
zendlichkeit als Milderungsgrund.
Und Quaderer spekulierte darauf, als Liechten-
steiner ebenfalls weniger hart beurteilt zu werden.
In den beiden Tagen vor dem eigenen Todesurteil
war Quaderer auch in den parallel geführten Lan-
desverräterprozessen gegen weitere Mitangeklag-
te, so insbesondere gegen den Deutschen Willy
Weh, im Gerichtssaal vernommen worden. Das
Gericht sprach gegen den abwesenden Weh, den
Xopf des Spionagerings, Anwerber Quaderers und
ebenfalls Nichtschweizer, in der Tat nicht die
Höchststrafe, sondern eine lebenslängliche Zucht-
nausstrafe aus. Mit mehr rechnete Quaderer ge-
wiss nicht, eher mit weniger.
Solche Erwartung hatte sich nun als eitel erwie-
sen. Nun begann das Hoffen auf Gnade. Es dauerte
81 Tage und erfüllte sich nicht.
\IıYARUM KEINE BEGNADIGUNG?
Zwei Tage nach dem Todesurteil erhielten die Mut-
ter Anna und die 22-jährige Schwester Klara, die
wieder in Schaan weilten, von Pflichtverteidiger
Dr. Zollikofer die Nachricht vom Todesurteil. Sie
waren der Verzweiflung nahe. Die Mutter suchte
den Schaaner Rechtsvertreter Louis Seeger auf, der
sogleich das weitere Vorgehen mit dem Pflicht-
verteidiger Dr. Zollikofer eingehend besprach. Zol-
likofer hatte vorsorglich Kassationsbeschwerde
angekündigt. Diese zog er aber wieder zurück, da
keine Erfolgsaussicht bestand. Dafür reichte Alfred
)uaderer über Dr. Zollikofer am 28. März 1944 ein
Gesuch um Begnadigung ein, ebenso tat Roos.
Zuständig für Gnade war die Vereinigte Bundes-
versammlung. Ende März 1944 tagten gerade die
eidgenössischen Räte in der Frühjahrssession.
Doch die Begnadigungsgesuche von Quaderer und
Roos kamen einige Tage zu spät, um noch behan-
lelt werden zu können, da Vorinstanzen involviert
waren. Die am 30. März zusammentretende Ver-
a>inigte Bundesversammlung beriet daher nur das
3Zegnadigungsgesuch eines andern zum Tode ver-
urteilten Landesverräters, des Maijors Ernst Pfister,
Betrübliche Erjheinungen ' diefer |
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münfter fomwie andere Sender die Nachrıcht, ‚tung i
die man heute in allen Zeitungen lcfen kann, dern €
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Unglücklichen find und fo fchwer fie ihre Ber: Bettler
'‚ehlungen büßen müffen, fo kommen wir dod) als ein
nicht um die Feltftellung herum, daß diefe ver: als be
urteilten Leute fih nicht nur fhmer gegen die den m
Befeke eines ausländifhen Stantes vergan: der er]
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Ihmer verfehlt haben. Es ift unbeftreithe-
daß die Scrie der Spionagefälle *
uns liegen, in denen ner |
Liechtenjteiner
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Kommentar im «Liechten-
steiner Volksblatt» vom
23. März 1944, unter Ver-
mischtem. In der gleichen
Nummer waren Namen
und Strafen der Haupt-
verurteilten detailliert
publiziert (siehe die voran-
gehende Abbildung)
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