Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (98)

LANDESVERRAT: DER FALL DES 1944 IN DER SCHWEIZ 
HINGERICHTETEN ALFRED QUADERER / PETER GEIGER 
1942 ergangen, die erste Hinrichtung im November 
1942 erfolgt. Bis dahin jedenfalls hatten Quaderer 
und Roos kaum an eine solche Sanktion für ihr 
Treiben gedacht. 
Auch im Laufe der Untersuchungshaft waren 
Quaderer und Roos, die auch im Gefängnis «in ge- 
heimer Verbindung miteinander» standen, offen- 
bar noch zuversichtlich. Roos schrieb nämlich aus 
ler Haft an seine Mutter, sie solle, um bei Willy 
Weh aus Feldkirch noch Geld zu erlangen, 
«ruhig ziehmlich übertreiben: Todesurteil od. bes- 
tenfalls Lebenslänglich». 
Demnach erwartete Roos weder das erste noch das 
zweite. Roos wie Quaderer hegten auch gar kein 
ausgeprägtes Unrechtsbewusstsein. Sie sahen sich 
selber eher als kleine Ganoven denn als grosse 
staatsverräter. Zudem vertrauten sie auf ihre Ju- 
zendlichkeit als Milderungsgrund. 
Und Quaderer spekulierte darauf, als Liechten- 
steiner ebenfalls weniger hart beurteilt zu werden. 
In den beiden Tagen vor dem eigenen Todesurteil 
war Quaderer auch in den parallel geführten Lan- 
desverräterprozessen gegen weitere Mitangeklag- 
te, so insbesondere gegen den Deutschen Willy 
Weh, im Gerichtssaal vernommen worden. Das 
Gericht sprach gegen den abwesenden Weh, den 
Xopf des Spionagerings, Anwerber Quaderers und 
ebenfalls Nichtschweizer, in der Tat nicht die 
Höchststrafe, sondern eine lebenslängliche Zucht- 
nausstrafe aus. Mit mehr rechnete Quaderer ge- 
wiss nicht, eher mit weniger. 
Solche Erwartung hatte sich nun als eitel erwie- 
sen. Nun begann das Hoffen auf Gnade. Es dauerte 
81 Tage und erfüllte sich nicht. 
\IıYARUM KEINE BEGNADIGUNG? 
Zwei Tage nach dem Todesurteil erhielten die Mut- 
ter Anna und die 22-jährige Schwester Klara, die 
wieder in Schaan weilten, von Pflichtverteidiger 
Dr. Zollikofer die Nachricht vom Todesurteil. Sie 
waren der Verzweiflung nahe. Die Mutter suchte 
den Schaaner Rechtsvertreter Louis Seeger auf, der 
sogleich das weitere Vorgehen mit dem Pflicht- 
verteidiger Dr. Zollikofer eingehend besprach. Zol- 
likofer hatte vorsorglich Kassationsbeschwerde 
angekündigt. Diese zog er aber wieder zurück, da 
keine Erfolgsaussicht bestand. Dafür reichte Alfred 
)uaderer über Dr. Zollikofer am 28. März 1944 ein 
Gesuch um Begnadigung ein, ebenso tat Roos. 
Zuständig für Gnade war die Vereinigte Bundes- 
versammlung. Ende März 1944 tagten gerade die 
eidgenössischen Räte in der Frühjahrssession. 
Doch die Begnadigungsgesuche von Quaderer und 
Roos kamen einige Tage zu spät, um noch behan- 
lelt werden zu können, da Vorinstanzen involviert 
waren. Die am 30. März zusammentretende Ver- 
a>inigte Bundesversammlung beriet daher nur das 
3Zegnadigungsgesuch eines andern zum Tode ver- 
urteilten Landesverräters, des Maijors Ernst Pfister, 
Betrübliche Erjheinungen ' diefer | 
Beitern Abend verbreiteten Radio Bero: befchiei 
münfter fomwie andere Sender die Nachrıcht, ‚tung i 
die man heute in allen Zeitungen lcfen kann, dern € 
daß in einer Spionageaffaire 3 Liechtenftei- lung © 
ner mitvermickelt maren. von denen zwei zum den 6 
Tode, ein Dritter zu Icebenslänglidjem Kerker „Bir 
verurteilt murden. So beklagensmert Ddiefe die ih} 
Unglücklichen find und fo fchwer fie ihre Ber: Bettler 
'‚ehlungen büßen müffen, fo kommen wir dod) als ein 
nicht um die Feltftellung herum, daß diefe ver: als be 
urteilten Leute fih nicht nur fhmer gegen die den m 
Befeke eines ausländifhen Stantes vergan: der er] 
gen, fondern fi) auch) gegen ihr Hcimatlano,, nismäß 
Ihmer verfehlt haben. Es ift unbeftreithe- 
daß die Scrie der Spionagefälle * 
uns liegen, in denen ner | 
Liechtenjteiner 
ml * 
Kommentar im «Liechten- 
steiner Volksblatt» vom 
23. März 1944, unter Ver- 
mischtem. In der gleichen 
Nummer waren Namen 
und Strafen der Haupt- 
verurteilten detailliert 
publiziert (siehe die voran- 
gehende Abbildung) 
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