Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (98)

LANDESVERRAT: DER FALL DES 1944 IN DER SCHWEIZ 
HINGERICHTETEN ALFRED QUADERER / PETER GEIGER 
zers. Die militärischen Papiere aus dem Casino- 
Diebstahl hatte Quaderer in einem gelben Couvert 
auf sich. An der Rheinbrücke mussten sie dem 
Schweizer Heerespolizisten nur die Pässe zeigen. 
Durchsucht wurden sie auch nachher beim Grenz- 
Übertritt nie. Als Weh in Schaan die fette Spionage- 
jeute übernahm, stellte er Quaderer, wenn er ihm 
weitere «solche Sachen» bringe, für später eine 
einträgliche Stelle im Baugeschäft in Feldkirch in 
Aussicht. Dies war jenes oben schon erwähnte Zu: 
sammentreffen mit Weh, bei dem Quaderer Roos 
erstmals in Kontakt mit Weh brachte und Weh je- 
nen anwarb. 
Für Hitlerdeutschland war besonders das 
Schweizer Reduit - der ab 1940 im Ausbau befind- 
liche befestigte Zentralraum der Alpen —- mit seinen 
Zugängen und Anlagen von Interesse. Im Spätsom- 
mer 1941 spähten Quaderer und Roos gemeinsam 
am Zugersee und am ÄAgerisee Tanksperren und 
Bunker aus, so die Panzer- und Minensperren 
«Murpfli» und «Lothenbach». Lothenbach liegt am 
Zugersee an der engen Strasse zwischen Zug und 
Schwyz. Sie erstellten genaue Skizzen der Sperren, 
mit Eintragung der Örtlichkeiten, der Minenkam- 
mern und der Zündleitungen. Die Angaben gingen 
an Weh. 
Weh zahlte gut für das «rote Büchlein» der 
Korpssammelplätze, wünschte aber auch ein Ver 
zeichnis der Korpssammelplätze aller schweize- 
rischen Truppen, sie wären in einem «grünen 
Büchlein» zu finden. Quaderer stahl im Oktober 
1941 auch dieses «grüne Büchlein» aus den Casino- 
Büros des Zuger Platzkommandos, dazu noch das 
«weisse» Verzeichnis aller Mobilmachungsfunk- 
tionäre der Armee sowie andere greifbare Unter- 
‚agen. Quaderer brachte die Ausbeute, begleitet 
von Roos, Anfang November 1941 ins Fürstentum 
nach Schaan und übergab alles Weh. 
Kurt Roos absolvierte vom 23. November 1941 
Dis zum 21. März 1942 die Schweizer Rekruten- 
schule, erst in Luzern, ab Mitte Februar in Mend- 
risio, Da boten sich Gelegenheiten. Roos stahl in 
der Rekrutenschule einen Minenwerfer-Aufschlag- 
zünder. Er schickte den Zünder per Post an Quade- 
rer, dieser händigte ihn in Thalwil an Willy Kranz 
aus. Roos beschaffte auch Waffenreglemente der 
Schweizer Armee, über Quaderer gingen sie an 
Weh, ebenso mehr als 20 Landkarten. 
Auf Aufforderung von Weh drang Quaderer, teils 
allein, teils unter Mithilfe von Roos, in den ersten 
Monaten des Jahres 1942 erneut und wiederholt 
ins Zuger Platzkommando ein. Einmal, im Januar 
1942, blieb die Aktion erfolglos, weil die Abwart- 
frau erschien. 
Willy Weh traf am 16. April 1942 in Zürich mit 
)uaderer und Roos zusammen. Er gab ihnen 
3äine ganze Reihe neuer Aufträge. Unter anderem 
sollten sie «das neue 20 mm-Flab-Geschoss» der 
Schweiz beschaffen oder wenigstens den Fabri- 
kationsstandort feststellen, das Geschoss weise 
einen hochempfindlichen Zünderkopf auf, präzi- 
sierte Weh. Diese Mission konnten die beiden 
offenbar nicht erfüllen. 
Einige Tage später brach Quaderer in der Nacht 
vom 21./22. April 1942 wieder ins Zuger Platz- 
Kommando ein. Er konnte grosse Umschläge mit 
zahlreichen Verzeichnissen über Kompaniehüros, 
Mannschaftsbaracken, Magazine, Stallungen und 
ebenso zu Panzer- und Strassensperren im Reduit 
mitnehmen, dazu Kriegsmobilmachungsplakate. 
Im Sommer 1942 übernahm Quaderer eine 
Arbeitsstelle als Maler in Erstfeld, im Gotthard- 
AeEduitgebiet. Weh erteilte ihm sogleich Ausfor- 
schungsaufgaben, er solle Anlagen, Truppentrans- 
porte und Ähnliches beobachten und melden. 
Quaderer kundschaftete einen für das Armee- 
hauptquartier im Bau befindlichen Stollen am 
GOtthard aus. Roos sollte ihm dazu auch Zeichnun- 
gen anfertigen, was aber nicht gelang. Quaderer 
gab im November 1942 seine Stelle in Erstfeld auf. 
Kurt Roos leistete im Juni und Juli 1942 als 
Infanterie-Kanonier Aktivdienst in seiner Truppen- 
3anheit, der Stabskompanie 48 im Gebirgsinfante- 
rie-Regiment 37. Und im August 1942 absolvierte 
er noch einen Hochgebirgskurs der 8. Division im 
Gotthardgebiet. Bei dieser Gelegenheit spionierte 
Roos die Festung «Sasso da Pigna» aus. Dieses 
neue Kasemattenwerk lag 800 Meter östlich des 
Gotthard-Hospizes, es war seit dem Herbst 1941 im 
Bau und erhielt vier 10.5 em-Kanonen und vier 
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