LANDESVERRAT: DER FALL DES 1944 IN DER SCHWEIZ
HINGERICHTETEN ALFRED QUADERER / PETER GEIGER
zers. Die militärischen Papiere aus dem Casino-
Diebstahl hatte Quaderer in einem gelben Couvert
auf sich. An der Rheinbrücke mussten sie dem
Schweizer Heerespolizisten nur die Pässe zeigen.
Durchsucht wurden sie auch nachher beim Grenz-
Übertritt nie. Als Weh in Schaan die fette Spionage-
jeute übernahm, stellte er Quaderer, wenn er ihm
weitere «solche Sachen» bringe, für später eine
einträgliche Stelle im Baugeschäft in Feldkirch in
Aussicht. Dies war jenes oben schon erwähnte Zu:
sammentreffen mit Weh, bei dem Quaderer Roos
erstmals in Kontakt mit Weh brachte und Weh je-
nen anwarb.
Für Hitlerdeutschland war besonders das
Schweizer Reduit - der ab 1940 im Ausbau befind-
liche befestigte Zentralraum der Alpen —- mit seinen
Zugängen und Anlagen von Interesse. Im Spätsom-
mer 1941 spähten Quaderer und Roos gemeinsam
am Zugersee und am ÄAgerisee Tanksperren und
Bunker aus, so die Panzer- und Minensperren
«Murpfli» und «Lothenbach». Lothenbach liegt am
Zugersee an der engen Strasse zwischen Zug und
Schwyz. Sie erstellten genaue Skizzen der Sperren,
mit Eintragung der Örtlichkeiten, der Minenkam-
mern und der Zündleitungen. Die Angaben gingen
an Weh.
Weh zahlte gut für das «rote Büchlein» der
Korpssammelplätze, wünschte aber auch ein Ver
zeichnis der Korpssammelplätze aller schweize-
rischen Truppen, sie wären in einem «grünen
Büchlein» zu finden. Quaderer stahl im Oktober
1941 auch dieses «grüne Büchlein» aus den Casino-
Büros des Zuger Platzkommandos, dazu noch das
«weisse» Verzeichnis aller Mobilmachungsfunk-
tionäre der Armee sowie andere greifbare Unter-
‚agen. Quaderer brachte die Ausbeute, begleitet
von Roos, Anfang November 1941 ins Fürstentum
nach Schaan und übergab alles Weh.
Kurt Roos absolvierte vom 23. November 1941
Dis zum 21. März 1942 die Schweizer Rekruten-
schule, erst in Luzern, ab Mitte Februar in Mend-
risio, Da boten sich Gelegenheiten. Roos stahl in
der Rekrutenschule einen Minenwerfer-Aufschlag-
zünder. Er schickte den Zünder per Post an Quade-
rer, dieser händigte ihn in Thalwil an Willy Kranz
aus. Roos beschaffte auch Waffenreglemente der
Schweizer Armee, über Quaderer gingen sie an
Weh, ebenso mehr als 20 Landkarten.
Auf Aufforderung von Weh drang Quaderer, teils
allein, teils unter Mithilfe von Roos, in den ersten
Monaten des Jahres 1942 erneut und wiederholt
ins Zuger Platzkommando ein. Einmal, im Januar
1942, blieb die Aktion erfolglos, weil die Abwart-
frau erschien.
Willy Weh traf am 16. April 1942 in Zürich mit
)uaderer und Roos zusammen. Er gab ihnen
3äine ganze Reihe neuer Aufträge. Unter anderem
sollten sie «das neue 20 mm-Flab-Geschoss» der
Schweiz beschaffen oder wenigstens den Fabri-
kationsstandort feststellen, das Geschoss weise
einen hochempfindlichen Zünderkopf auf, präzi-
sierte Weh. Diese Mission konnten die beiden
offenbar nicht erfüllen.
Einige Tage später brach Quaderer in der Nacht
vom 21./22. April 1942 wieder ins Zuger Platz-
Kommando ein. Er konnte grosse Umschläge mit
zahlreichen Verzeichnissen über Kompaniehüros,
Mannschaftsbaracken, Magazine, Stallungen und
ebenso zu Panzer- und Strassensperren im Reduit
mitnehmen, dazu Kriegsmobilmachungsplakate.
Im Sommer 1942 übernahm Quaderer eine
Arbeitsstelle als Maler in Erstfeld, im Gotthard-
AeEduitgebiet. Weh erteilte ihm sogleich Ausfor-
schungsaufgaben, er solle Anlagen, Truppentrans-
porte und Ähnliches beobachten und melden.
Quaderer kundschaftete einen für das Armee-
hauptquartier im Bau befindlichen Stollen am
GOtthard aus. Roos sollte ihm dazu auch Zeichnun-
gen anfertigen, was aber nicht gelang. Quaderer
gab im November 1942 seine Stelle in Erstfeld auf.
Kurt Roos leistete im Juni und Juli 1942 als
Infanterie-Kanonier Aktivdienst in seiner Truppen-
3anheit, der Stabskompanie 48 im Gebirgsinfante-
rie-Regiment 37. Und im August 1942 absolvierte
er noch einen Hochgebirgskurs der 8. Division im
Gotthardgebiet. Bei dieser Gelegenheit spionierte
Roos die Festung «Sasso da Pigna» aus. Dieses
neue Kasemattenwerk lag 800 Meter östlich des
Gotthard-Hospizes, es war seit dem Herbst 1941 im
Bau und erhielt vier 10.5 em-Kanonen und vier
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