«DER EINZIGE MANN, DER DIE SACHE AUF SICH
NEHMEN KÖNNTE ...» / JÜRGEN SCHREMSER
überweisung aufgebe und sie nicht in Erscheinung
ireten müssten. Mit einem entsprechenden Vor-
schlag Krieners war Hübner einverstanden, für ihn
war Alois Vogt «der einzige Mann, der die Sache
auf sich nehmen könnte.»“® Parallel zur liechten-
steinischen Absprache suchten Hübner und Krie-
ner das reichsdeutsche Obergerichtsmitglied Dr.
Walter Murr zu beeinflussen.“ Mit Untersu-
chungsrichter Risch wurde vereinbart, das Resultat
der Obergerichtssitzung vom 18. Dezember eben-
falls über Murr der Gestapo durchzugeben. Als
das Haftentlassungsgesuch Rudolf Blaschkes vom
Ibergericht abgewiesen wurde, informierte Gesta-
pochef Kriener am Morgen des darauffolgenden
Tages, dem 19. Dezember, den SD in München,
ebenso die Gestapostellen in Bregenz und Inns:
bruck.??>
Für die Zeit zwischen dem 20. Dezember und
der Haftentlassung Blaschkes am 30. Dezember
1942 ist keine deutsche Fernmelde-Korrespondenz
mehr erhalten. Die hintergründigen behördlichen
Enthaftungsbemühungen dürften angehalten ha-
ben. Von Seiten der Gestapo wurde «nun anheim-
gestellt, die Angelegenheit mit Dr. Vogt weiter zu
regeln.»?% Ausserdem wünschte Kommissar Hüb-
ner für den 22. Dezember, sich mit Regierungschef
Hoop in Feldkirch zu treffen.“
Am 23. Dezember 1942 wurde dem inhaftierten
Rudolf Blaschke der abweisende Entscheid des
Obergerichts mitgeteilt. Nur eine Woche später, am
30. Dezember, sollte Blaschke auf freien Fuss
gesetzt werden. Landrichter Risch erklärte ihm,
dass er gegen Gelöbnis, sich gerichtlich verfügbar
zu halten, entlassen werde.“”®
Das juristische Vorgehen von Untersuchungs-
richter Risch war von der liechtensteinischen Re-
gierung politisch erwünscht.“ Gemäss Alois Vogt
wurde Regierungssekretär Ferdinand Nigg Ende
Dezember durch die liechtensteinische Regierung
bevollmächtigt, als Staatsanwalt einen Einstel-
lungsantrag einzubringen. An einer diesbezügli-
chen Sitzung hätten Vogt selber, Regierungschef
Hoop, Landrichter Risch, Regierungssekretär Nigg
und eventuell auch Regierungsrat Anton Frommelt
teilgenommen.?°%
«DER FALL IST EINER DER DELIKATESTEN
ÜBERHAUPT»
Alois Vogt erklärte der schweizerischen Bundes-
polizei nach dem Krieg, dass er in der Angelegen-
heit «Blaschke» weder mit den S$D-Leuten Groebl
und Dauser verhandelt noch Kenntnis von den in-
ternen Vorgängen bei SD und Gestapo gehabt
283) Ebenda, Fernschreiben 2. Dezember 1942: RSHA/Amt VI an
Hübner (Greko Bregenz).
284) Ebenda, Fernschreiben 3. Dezember 1942: Hübner (Greko
Bregenz) an Bernhard (RSHA).
285) Ebenda, Fernschreiben 5. Dezember 1942: Kriener (Grepo
Feldkirch) an Hübner (Greko Bregenz).
286) Ebenda, Fernschreiben 5. Dezember 1942: Kriener (Grepo
Feldkirch) an Dauser (SD München).
287) Ebenda, Fernschreiben 5. Dezember 1942: Kriener (Grepo
Feldkirch) an Hübner (Greko Bregenz).
288) Ebenda, Fernschreiben 8. Dezember 1942: Hübner (Greko
Bregenz) an Gestapo Innsbruck.
289) LLA RF* 214/312, 10. Dezember 1942: Auslieferungsgesuch
Jberstaatsanwaltschaft München.
290) BAB Bupo-Vernehmung Alois Vogt 1946, S. 42.
291) BAB Bupo-Vernehmung Alois Vogt 1946, S. 42 f.; LLA RF
238/194 «Vernehmungsprotokoll Friederico Schwend».
292) BAB Dossier Blaschke. Fernschreiben 17. Dezember 1942:
Kriener (Grepo Feldkirch) an Greko Bregenz.
293) Ebenda, Fernschreiben 17. Dezember 1942 (18.30 Uhr):
Yübner (Greko Bregenz) an Kriener (Grepo Feldkirch).
294) Ebenda, Fernschreiben 17. Dezember 1942: Kriener (Grepo
Zeldkirch) an Greko Bregenz.
295) Ebenda, Fernschreiben 19. Dezember 1942 (9.55 Uhr):
KXriener (Grepo Feldkirch) an SD München, «nachrichtlich an die
Stapo Innsbruck und Greko Bregenz».
296) Ebenda.
297) Ebenda, Fernschreiben 17. Dezember 1942: Kriener (Grepo
Seldkirch) an Greko Bregenz.
298) LLA RF 238/194, 30. Dezember 1942: FL-Landgericht
299) Die offizielle Einstellung des Verfahrens gegen Blaschke
erfolgte auf Antrag von Staatsanwalt Nigg am 23. Dezember 1943
«mangels hinreichender Verdachtsgründe für einen stralbaren
Tatbestand»: desgleichen endete «wegen Landesabwesenheit» das
Verfahren gegen Friedrich Schwend, der mitbeteiligt erschien. Vgl
„LA RF 238/194, 30. November 1942, rückseitige Vermerke.
300) BAB Bupo-Vernehmung Alois Vogt 1946, 5. 43.