Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (97)

DAS ROD- UND FUHRWESEN IM FÜRSTENTUM LIECHTENSTEIN / KLAUS BIEDERMANN HANDWERK UND GEWERBE Da sich bis ins 19. Jahrhundert die agrarische liechtensteinische Gesellschaft weitgehend selbst versorgte und sie zudem kaum über Bargeld ver- fügte, gab es für Handwerker und Gewerbeleute kaum Absatz- und Verdienstmöglichkeiten. Ein liechtensteinischer Gewerbetreibender fand nicht nur im eigenen Land kaum Abnehmer für seine Produkte, es war ihm auch der Zugang zu auslän- dischen Märkten weitgehend versperrt. Dieser Zu- stand sollte sich erst durch den Abschluss des Zoll- vertrags mit Österreich im Jahre 1852 ändern.246 Die wenigen einheimischen Flandwerker wie Wag- ner, Sattler, Schlosser oder Schmiede waren in ih- rer Produktion ganz auf die Bedürfnisse der loka- len bäuerlichen Bevölkerung eingestellt. Landvogt Schuppler beklagte 1815 ihren Dilettantismus: «Sie sind im eigentlichen Sinne nur Pfuscher, und können nicht blos wegen Mangl an Kenntnis- sen, sondern auch Mangl an Arbeit nicht einmal Lehrjungen aufnehmen. Die, so ihr Handwerk er- lernen müssen, müssen sich bei Meistern im Aus- lande verdingen[,] wozu sie in der benachbarten Stadt Feldkirch die schönste Gelegenheit haben, sich nach Beendigung ihrer Lehrjahre, und erfolg- ter Freysprechung durch Wandern in fremden Län- dern vervollkommern, auch dort, wenn sie vom Handwerk leben wollen, ihre Versorgung su- chen».247 Die liechtensteinischen Nachbarschaften kann- ten bereits 1784 ein Hausbauverbot.248 Dieses wur- de 1806 durch ein oberamtliches Dekret erneu- ert.249 Verboten war nicht nur der Neubau, sondern auch die Verdoppelung von bestehenden Häusern. Damit sollte verhindert werden, dass noch zusätz- liche Leute einen Anspruch auf den Gemeindenut- zen erhielten.250 Dieses Verbot verhinderte das Ent- stehen eines einheimischen Baugewerbes. Eine gewisse Monopolstellung genoss aber die bereits im 17. Jahrhundert erwähnte Ziegelei in Nendeln, die bis zu ihrer Stillegung 1914 das gesamte Fürs- tentum und die nähere Umgebung mit ihren Pro- dukten belieferte.251 
Ebenso wenig wie die übrigen Gewerbezweige war um 1800 das Nahrungsmittelgewerbe ent- wickelt. Beispielsweise gab es für Bäcker kaum eine Verdienstmöglichkeit, da die meisten Haushal- tungen das Brot selber buken. Verschiedene Ver- suche, in Liechtenstein eine Bierbrauerei zu betrei- ben, wurden meist nach kurzer Zeit wieder aufge- geben. 1794 erhielt Anton Frommelt aus Vaduz die Erlaubnis, bei Bezahlung eines jährlichen Zinses von einem Gulden Bier zu brauen. Wegen den zu geringen Absatzmöglichkeiten (das dominierende alkoholische Getränk in Liechtenstein war der Wein!) führte er sein Vorhaben gar nicht erst aus.252 Spätere Bierbrauer, die auch in den rent- amtlichen Rechnungsbüchern als Umgeldzahlende Wirtsleute auftauchten, waren: Anton Frommelt, Schaan (1811-1812), Anton Rheinberger (1821- 1823) sowie ab 1842 Bierbrauer Baptist Quaderer aus Schaan.253 236) Ospelt, Wirtschaftsgeschichte. S. 182. 237) Ebenda, S. 179. 238) Entwicklung und Verfall des Rodwesens sind in den Kapiteln auf'S. 107 bis 135 ausführlich dargestellt. 239) Bielmann. Lebensverhältnisse im Urnerland, S. 177. 240) Ebenda, S. 177 f. 241) Ebenda. 242) Ebenda. 243) Die folgenden Ausführungen stützen sich auf: Wicki, Luzern im 18. Jahrhundert, S. 270 ff. 244) Wicki. Luzern im 18. Jahrhundert, S. 273. 245) Ebenda. S. 272 u. Ospelt. Wirtschaftsgeschichte, S. 147. 246) Ospelt, Wirtschaftsgeschichte, S. 227. 247) 1.BS, S. 36 f. 248) Vogt, Brücken zur Vergangenheit. S. 90. 249) Ebenda. 250) Ebenda, S. 144. Das Hausbauverbot wurde um 1840 auf- gehoben. 251) Ospelt, Wirtschaftsgeschichte. S. 254 f. 252) Ebenda. S. 239. 253) LLA Rechnungsbücher des Rentamts; vgl. Anhang auf S. 156- 159. - Die Familie Quaderer betrieb das Brauereigewerbe bis zum 1. Weltkrieg; erwähnt bei: Ospelt. Wirtschaftsgeschichte, S. 239 f. 49
	        

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