Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (97)

DAS ROD- UND FUHRWESEN IM FÜRSTENTUM LIECHTENSTEIN / KLAUS BIEDERMANN allenfalls die Geburts- und Sterbebücher der ein- zelnen Pfarreien.) Und doch weist diese Volkszäh- lung von 1783/84 einen Schönheitsfehler auf, da sie zwar alle Bürger/innen, nicht jedoch die in den einzelnen Gemeinden lebenden Hintersassen erfasste.209 Gemäss diesen Zahlen, die in der unter Landvogt Gilm von Rosenegg 1784 verfassten Lan- desbeschreibung genannt werden, lebten in Liech- tenstein damals 4 317 Bürgerinnen und Bürger.210 Mit Einberechnung der Hintersassen dürfte sich die gesamte Einwohnerzahl auf rund 4 400 belau- fen haben.211 Die Bürgerinnen und Bürger verteil- ten sich 1784 auf die einzelnen Gemeinden wie folgt: Triesenberg 592, Schaan 499, Vaduz 469, Triesen 426, Balzers 382, Planken 106, (gesamtes Oberland 2 474); Eschen 500, Mauren 435, Ruggell 397, Gamprin 292, Schellenberg 212, (Unterland insgesamt 1 843).212 Bereits fünf Jahre später wurde wiederum eine Volkszählung durchgeführt, wobei nun ebenfalls eine Registratur der in Liechtenstein vorhandenen Nutztiere erfolgte.213 Dieses Mal war der Argwohn seitens der Untertanen offenbar geschwunden; denn dieselbe zeitgenössische Quelle erwähnte das Ereignis mit folgenden Worten: «Es ist in diesem Winter auch in den Vaduzi- schen- und Schellenbergischen Herrschaften pu- bliziert worden, dass man solle dem Landesfürsten eine Seelenbeschreibung einliefern, wie auch eine Beschreibung vom Viehstand, was schleunig voll- zogen ohne Widerstand.»2^ Zwischen 1784 und 1789 sind ein paar be- merkenswerte Bevölkerungsverschiebungen von- statten gegangen.215 So stieg die Zahl der Balzner Einwohnerinnen und Einwohner von 382 auf 546, während in den Unterländer Gemeinden teils eine 199) In diesem Sinne äusserte sich Volker Press, der die liechten- steinische Gesellschaft und ihr natürliches Umfeld (um 1800) folgen- dermassen beschrieb: «Es war eine patriarchalische bäuerliche Gesellschaft, für die die zuweilen selbst wenig gebildeten Pfarrer die einzigen Intellektuellen bildeten, ganz ohne die Reformimpulse des 18. Jahrhunderts - in zunehmend veralteten Formen lebend, aber auch im lebendigen Bewusstsein der erhaltenen Teile ständischer Freiheiten, ein armes Volk freilich, von den Existenzkrisen der alten Gesellschaft, von Hunger und von Seuchen bedroht, zu denen 
Überschwemmungen des Rheins und die Rüfen als dritte und vierte Plage kamen»; vgl.: Press, Rheinbund, S. 57 f. 200) Vgl. hierzu LLA RA 6/11/69; Befehl an die Gemeinden Vaduz und Schaan, die durch Rüfen verdorbenen Strassen wieder herzu- stellen, 1. August 1789; oder auch: LLA RA 6/11/137: Aufforderung an die Gemeinde Schaan, die durch die Rüfe zerstörte Strasse wieder herzustellen und zu bekiesen; 18. August 1797. 201) Malin, Kunstführer, S. 12 f. 202) Poeschel, Liechtenstein, S. 15 f.: Einzig Ruggell hatte sich seinen Platz in der freien Rheinebene gesucht, «an einer Stelle, wo der Eschnerberg wie ein grosses Wuhr eine frühzeitige Beruhigung des Bodens begünstigt hatte». 203) Kaiser. Arthur Brunhart, S. 398. 204) Ebenda. 205) Lange Zeit ging die Literatur davon aus, dass die Hexenpro- zesse sogar über 300 Todesopfer forderten. Dies wurde durch neueste Forschungen von Manfred Tschaikner widerlegt. Tschaikner nimmt an, dass die Zahl .300 in etwa der Anzahl an Prozessopfern entspricht, jedoch keinesfalls mit der Anzahl der vollstreckten Todesurteile übereinstimmt; vgl.: Tschaikner, Hexenverfolgungen. 206) Vgl. Ausführungen auf S. 70. 207) Ospelt, Wirtschaftsgeschichte, S. 47. 208) Heibert. S. 74. - Vgl. dazu auch Geiger, Helbert-Chronik, S. 327: «Heiberts Blickwinkel aber kommt nicht von den Machtzen- tralen her. sondern vom Volk: Er bietet Chronik <von untern, gerade deshalb ist sie auch so konkret, einmalig und für neue Fragestellun- gen interessant». 209) Ospelt. Wirtschaftsgeschichte. Anhang 9, S. 28. - Die Hinter- sassen eines Dorfes waren Leute, die zwar dort lebten (u. eventuell auch dort geboren u. aufgewachsen waren), aber das Bürgerrecht des Dorfes nicht besassen und folglich keinen Anteil am Gemeinde- nutzen hatten. 210) Eine zusammenfassende Darstellung dieser Landesbeschrei- bung von 1784 findet sich bei: Vogt, Brücken zur Vergangenheit, S. 88 ff. 211) Ospelt, Wirtschaftsgeschichte, Anhang 9, S. 25 u. 28. Gemäss Rechnungsbuch des Rentamtes bezahlten 1784 insgesamt 18 Hintersassen das sogenannte «Hintersassgeld». Da es damals vier bis fünf Einwohner auf ein Wohnhaus traf, ist diese Zahl von 4 400 Einwohnern durchaus realistisch. 212) Vgl. Anhang auf S. 143. - Dort sind auch die Zahlen der Häuser angegeben. Ebenso finden sich dort die Vergleichszahlen von späteren Volkszählungen. 213) Vgl. Kapitel Landwirtschaft und Viehzucht auf S. 46-48. Bei der Bevölkerungsstatistik von 1789 ist unklar, ob die Hintersassen mitgezählt wurden oder nicht. 214) Heibert, S. 88. 215) Die nun folgenden Betrachtungen vernachlässigen die Zahl der Hintersassen, die im späten 18. Jahrhundert ohnehin nur rund zwei Prozent der Bevölkerung ausmachten. 45
	        

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