Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (97)

Transporte ausserhalb der Rodordnung auch durch Unterländer Fuhrleute häuften sich offenbar. Jedenfalls liegt eine Notiz von Landvogt Menzinger vor, die auf dadurch entstandene und noch wach- sende Spannungen zwischen Ober- und Unterland hinweist: «Die Händel und Uneinigkeiten[J welche sich einige Zeit her der Rod halber zwischen den Unterthanen der oberen und der unteren Herr- schafft des Reichsfürstenthums Liechtenstein ange- sponnen haben, und leichtlich in gefährl.e Gewalt- thätigkeiten ausbrechen könnten, sind zu wichtig[,] als dass man diesen tatenlos zuschauen könte. Man findet sich daher von Seite des ... Oberamts bemüs- siget ... zu Verhietung weitern Unheils [den Unter- tanen] in Hinkunfft nicht nur alle gewaltthätige Pfändungen, Zugriffe und Thätlichkeiten, sondern auch alle wörtl. Beleidigungen, und besonders das Ausföpeln aufs Schärfste zu verbiethen».660 Man ist versucht, hier von einer geographischen Verlage- rung des Konflikts um das Rodwesen zu sprechen. Zuerst erfolgten Verstösse gegen die Rodordnung durch österreichische Fuhrleute, deren ungesetzli- che Warentransporte in erster Linie die Unterlän- der Fuhrleute als unmittelbare Nachbarn in Zug- zwang brachten. Sie mussten folglich handeln, so- fern sie das Fuhrwesen als Einnahmequelle für sich behalten wollten. Die Fuhrleute der Herrschaft Schellenberg konnten entweder versuchen, die ille- galen österreichischen Transporte aufzuhalten und bei den zuständigen Behörden die Verstösse gegen das Rodwesen einzuklagen, oder aber selbst damit beginnen, ausserhalb der Rod Transporte zu über- nehmen. Als sie feststellen mussten, dass die erste Massnahme nicht wirkungsvoll genug war, ergrif- fen sie zusätzlich noch die zweite Massnahme. Ge- rade weil die Abgrenzung der Rodbezirke nicht nach «nationalen» Kriterien erfolgte (österreichi- sche Rodfuhrleute waren in Liechtenstein unter- wegs, innerhalb Liechtensteins verkehrten Unter- länder Fuhrleute auch im Oberland), fiel schliess- lich das Rodwesen im Gebiet des Fürstentums Liechtenstein wie ein System von Domino-Steinen zusammen. Der Aushöhlung und schliesslichen Aufhebung des Rodsystems im österreichischen Vorarlberg folgte der Verfall des Rodwesens im 
liechtensteinischen Unterland. Das wiederum hatte zur Folge, dass auch im Oberland die Tage des Rodwesens gezählt waren. Eine besondere Konfliktsituation war deshalb gegeben, weil in zwei benachbarten Herrschaftsge- bieten unterschiedliche Transportsysteme vor- herrschten. Dies kann mit einer «Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen» treffend umschrieben wer- den. Der «moderne» zentralistische Beamtenstaat Österreich hatte spätestens im ausgehenden 18. Jahrhundert Schluss gemacht mit den «veralteten» lokalen Transportrechten, die bisher durch das Rodwesen garantiert wurden. Das Fürstentum Liechtenstein wollte damals noch am Rodwesen festhalten. In der Praxis war aber um 1790 die Rodordnung auf der Strecke von Feldkirch bis nach Schaan bereits aufgehoben. Noch bis in die zwan- ziger Jahre des 19. Jahrhunderts hielt sich die Rodordnung für den Streckenabschnitt von Schaan bis Balzers.661 Das Nebeneinander von Rodver- kehr und «freiem» Verkehr musste zwangsläufig zu Konflikten und Rivalitäten führen, zuerst zwi- schen Österreich und Liechtenstein, später (zeit- weilig) auch innerhalb des Fürstentums zwischen Oberland und Unterland. Es muss an dieser Stelle die im 
Kapitel Grund- lagen des Fuhrwesens (vgl. S. 17-54) dargestellte Entwicklung des Verkehrswesens etwas genauer hinterfragt werden. Natürlich war der Rodverkehr nicht denkbar ohne die Schaffung beziehungsweise das Vorhandensein von Wegen und Verkehrsver- bindungen. Vielleicht war aber gerade 
das Säu- merwesen diejenige Form des Warentransports, die dem System des lokalen Etappenverkehrs am ehesten entsprach. (Ein Säumer konnte mit seiner Ware - auch wenn er ein Lasttier bei sich hatte - naturgemäss zu Fuss nur eine begrenzte Strecke zurücklegen und musste dann die für einen ent- fernteren Ort bestimmte Ware einem anderen Säu- mer übergeben.) So gesehen stellte jeder Ausbau eines Handelswegs zu einer (ständig) befahrbaren Strasse das Rodwesen in Frage, weil er den Stracks- verkehr begünstigte und folglich den langsameren Etappenverkehr mehr und mehr ins Abseits stellte. Dieser Argumentation folgt auch Simonett, der sich 122
	        

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