Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (97)

jährige Stiere644 für ihre Fuhrwerke.645 Deshalb wünschten die Oberländer Fuhrleute die Beibehal- tung der alten Rodordnung, die es den Unterländer Fuhrleuten gestattete, ihre Rodwaren bis Balzers zu transportieren. Dies kann als Eingeständnis der Oberländer Fuhrleute interpretiert werden, dass sie selbst Mühe hatten, den Frachtverkehr auf der Strecke von Schaan und Vaduz nach Balzers alleine zu bewältigen. Interessant ist, dass das Oberland - dem Zeit- geist widersprechend - weiterhin auf die alte Rod- ordnung setzte (die den Feldkircher Rodfuhrleuten die Benützung liechtensteinischer Strassen teilwei- se gestattete), während das Unterland eben diese alte Ordnung verwarf und sich vehement für die Absonderung von den vorarlbergischen Fuhrleuten aussprach. Offenbar hatte das Unterland immer schon stärker als das Oberland unter den (öster- reichischen) Verstössen gegen die Rodordnung ge- litten. Händler und Fuhrleute aus der unmittelba- ren Nachbarschaft (Region Feldkirch) nahmen der näher gelegenen Landschaft (dem Unterland) eher die Arbeit und Verdienstmöglichkeit weg als der weiter entfernt gelegenen Landschaft (dem Ober- land). Diese These ist auch eine mögliche Erklä- rung, warum zum Beispiel der Balzner Hausmei- ster sich eher halbherzig gegen solche Verstösse zur Wehr setzte, während im Unterland, speziell in Nendeln und in Schaanwald, rodwidrige Transpor- te viel häufiger gewaltsam aufgehalten und abge- laden wurden. DIPLOMATISCHE AKTIVITÄTEN ZUR WAHRUNG DES ZERFALLENDEN RODWESENS Am 1. Juni 1790 berichtete das Oberamt dem Für- sten, dass österreichische Fuhrleute ihre unerlaub- ten Warentransporte immer noch fortsetzten.646 Dadurch würden die Fuhrleute des liechtensteini- schen Unterlands um ihren Verdienst gebracht. Das Oberamt wies dabei auf den wachsenden Un- mut dieser Fuhrleute hin: «[Sie] waren hierüber so aufgebracht, dass wir zu thun hatten[,] Excesse zu verhindern». Die Behörden in Vaduz hatten inzwi-schen 
im Einverständnis mit der Fürstlichen Hof- kanzlei in Wien den Untertanen das Aufhalten und Abladen von verbotenen Fuhrwerken ausdrücklich erlaubt. Ein Fall von zwei in Liechtenstein im Mai 1790 beschlagnahmten Wagen provozierte einen regen Briefwechsel zwischen den Amtsstellen in Vaduz und Feldkirch.647 Das Oberamt betrachtete solche Massnahmen wie die Auflraltung unbefug- ter Transporte als wirkungsvolles Druckmittel, um die österreichischen Kornhändler und Fuhrleute zur Respektierung der Rodordnung zu bewegen. Längerfristig gesehen erwiesen sich diese Mass- nahmen jedoch als wirkungslos. Liechtenstein mit seinem eher bescheidenen politischen und wirt- schaftlichen Gewicht sass im Vergleich zum öster- reichischen Kaiserstaat mit seiner straff organi- sierten zentralistisch ausgeprägten Bürokratie an einem viel kürzeren Hebel. Das Vogteiamt Feld- kirch als Befehlsempfänger und als kleines, aber reibungslos arbeitendes Rädchen in dieser Maschi- nerie des absolutistischen Habsburgerreiches hatte kein Interesse daran, sich für die autonomen Transportrechte der Fuhrleute eines kleinen Rod- bezirkes einzusetzen. Das Oberamt stellte in sei- nem Bericht an den Fürsten vom 1. Juni 1790 (nicht zu unrecht) sogar fest, dass das Vogteiamt Feldkirch auf die Zerstörung des Rodwesens hinar- beitete.648 Schwere Vorwürfe richtete Vaduz auch an die Adresse von Faktor Bachmann in Feldkirch: Er halte sich an keine Vorschriften und stelle unbefug- ten Fuhrleuten Frachtbriefe (Policen) aus, so dass deren illegales Handeln nicht mehr als solches erkennbar sei.649 Im Weiteren zeichnete das Ober- amt Vaduz ein Bild des zunehmenden Zerfalls des Rodwesens: Im ersten Halbjahr 1790 fuhren dem- zufolge österreichische Fuhrleute mit über 500 Malter an Früchten und ohne mit Frachtbriefen versehen zu sein durch das üechtensteinische Ter- ritorium.650 Einheimische Fuhrleute, denen gemäss Rodordnung die Hälfte der von Feldkirch durch Liechtenstein gehenden Zentnerwaren zukommen sollte, hatten in dieser Zeit von 300 Fuhren nur noch etwa vier (!) erhalten.651 Folglich beanspruch- ten österreichische Fuhrleute die Transportrechte 120
	        

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