Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (97)

Für Luzern gab es demnach weitaus mehr Umgeldverordnungen als für die Herrschaften Va- duz und Schellenberg. Noch Landvogt Schuppler zitierte in seiner «Beschreibung des Fürstenthums Liechtenstein» von 1815 die Bestimmungen des Hohenemser Urbars, die im Liechtenstein des frühen 19. Jahrhunderts immer noch massgebend waren.532 Das Umgeld wurde «gewöhnlich nur vom Weine abgenommen, ... andere Getränke hingegen [wurden als] abgabenfrei betrachtet».533 Anders als in Luzern gab es in Liechtenstein keine gesonder- ten Bestimmungen für den Umgeldeinzug von Branntwein und anderen alkoholischen Getränken. Schuppler erwähnt in seiner «Landesbeschrei- bung» auch, dass die Wirte alle möglichen Kniffe und Tricks anwendeten, um möglichst wenig Um- geld bezahlen zu müssen.534 Es ergingen immer wieder oberamtliche Strafandrohungen an alle Wirte des Landes, die illegal Wein ausschenkten und damit die Bezahlung der Weinverbrauchssteu- er umgingen.535 Zudem waren die Wirte im Jahre 1806 angehalten worden, auch für die von aus- wärts importierten Weine das Umgeld zu bezah- len.536 Trotzdem kam es immer wieder zu Verstös- sen gegen die bestehenden Ordnungen,537 die je- doch das Gesamtbild der im Anhang (S. 155 bis 162) angegebenen Umgeldstatistik nicht wesentlich beeinträchtigten. GEMEINDE BALZERS Anhand der südlichsten Gemeinde des Fürsten- tums Liechtenstein soll exemplarisch dargestellt werden, ob und wie stark die einzelnen Wirtshäu- ser vom Rod- und Fuhrwesen profitierten. Da im 18. Jahrhundert sämtliche Balzner Wirtshäuser an der Durchgangsstrasse standen, liegt die Vermu- tung nahe, dass sie ihre Existenz weitgehend dem Transitverkehr verdankten. Zudem war Balzers seit dem Mittelalter Standort einer Zuschg und folg- lich sahen sich alle Fuhrleute im Rodverkehr ge- zwungen, hier Halt zu machen.538 Zuerst werden die einzelnen Gasthöfe in der Reihenfolge ihrer Bedeutung vorgestellt. Als Krite-rium 
für diese Reihenfolge dienen die im Anhang abgedruckten Listen mit den Umgeldzahlungen der einzelnen Wirtshäuser.539 Die Vorstellung der ein- zelnen Gaststätten des 18. und des frühen 19. Jahr- hunderts beinhaltet auch Angaben zu den Besit- zern respektive zu den einzelnen Wirtefamilien. Anhand einzelner Stammbäume (vgl. S. 167 bis 170) wird die «Familienpolitik» dieser Geschlechter ver- anschaulicht. Hier wird klar, dass diese Familien eher einer höheren Gesellschaftsschicht angehör- ten und dass ihre Mitglieder zwecks Heirat bevor- zugt Partnerinnen und Partner aus derselben ge- sellschaftlichen Klasse auswählten. Anschliessend wird ein Versuch gewagt, die aus den Listen der Umgeldeinnahmen ersichtlichen konjunkturellen Schwankungen zu deuten und an- satzweise zu interpretieren. Dabei steht auch die Frage im Hintergrund, ob ein Zusammenhang zwi- schen den Umgeldeinnahmen sowie den Zoll- und Weggeldeinnahmen hergestellt werden kann (oder nicht). Ein Ereignis brachte jedoch gegen Ende des 18. Jahrhunderts den Betrieb der Balzner Wirts- häuser (mit einer einzigen Ausnahme) für ein paar Jahre gänzlich zum Erliegen: Es war dies der ver- heerende Dorfbrand vom 22. Oktober 1795, dem 77 Häuser, die Kirche und drei Menschenleben zum Opfer fielen.540 Diese Katastrophe stand na- türlich in keinem Zusammenhang mit allfälligen Schwankungen des Flandels- und Verkehrsvolu- mens, bewirkte aber, dass der Durchgangsverkehr eine Zeit lang für drei der vier Wirtshäuser (die erst wieder aufgebaut werden mussten) keine Einnah- mequelle mehr darstellen konnte. DAS WIRTSHAUS «POST» UND DIE FAMILIE WOLFINGER Der Name dieses Gasthofes weist bereits darauf hin, dass es sich hier um eine einstige Zwi- schenstation für den Fussacher Boten handelt. Dieser Bote wurde auch Lindauer oder Mailänder Bote genannt, da er zwischen diesen beiden Han- delsstädten hin- und herpendelte. Er startete in 100
	        

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