Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (97)

der Wirt den inländischen Gästen im Sommer nach 21 Uhr und im Winter nach 20 Uhr keine Speisen oder Getränke mehr verabreichen durfte, sondern diese Gäste «fein güetlich heim weisen» sollte.516 Allerdings versuchte diese Polizeiordnung auch ge- wisse Rechte des Gastes zu wahren; zum Beispiel war jeder Wirt verpflichtet, die Rechnung nur in Anwesenheit des Gastes zu machen.517 Ebenso durfte den Gästen kein vermischter oder verfälsch- ter Wein aufgetragen werden; besonders aber soll- ten die an der Landstrasse gelegenen Wirtshäuser «jederzeit ... mit frischen Getränken versehen» sein und sie hatten darauf zu achten, dass «sauber und wohl gekocht» und jeder Gast so gut als mög- lich zufrieden gestellt werde.518 Die letzte Bestim- mung ist ein deutlicher Hinweis ciarauf, wie sehr auch den Behörden daran gelegen war, dafür zu sorgen, dass die Wirtshäuser an der Durchgangs- strasse für die Fuhrleute möglichst einladend und attraktiv waren. Jeder Gastwirt entrichtete an den Landesherrn das sogenannte Umgeld. Der Einzug dieser Geträn- kesteuer war ein altes herrschaftliches Hoheits- recht.519 Die älteste vorhandene Umgeldbestim- mung für die Grafschaft Vaduz findet sich im Ho- henemsischen Urbar des frühen 17. Jahrhunderts. Demnach hatte jeder Wirt pro Saum (205,78 1) alkoholischer Getränke soviele Schillinge an Um- geld zu bezahlen, wie das Mass (1,3 1) Pfennige kostete. Ein Schilling galt 14 Denare (Pfennige) oder 3,5 Kreuzer. Ein Wirt, der zum Beispiel das Mass Weisswein um 16 Kreuzer ausschenkte, be- zahlte pro Saum folglich viermal 16 Schillinge (ein Kreuzer entsprach vier Pfennigen) oder, pro Schil- ling (= 3,5 Kreuzer) gerechnet, drei Gulden und 44 Kreuzer.520 Da in Liechtenstein als alkoholisches Getränk der Wein vorherrschte, wurde das Umgeld fast ausschliesslich durch den Verkauf beziehungs- weise Ausschank dieses Produktes erzielt.521 Bis 1808 wurden durch Stimmenmehrheit der Vorste- her des Ober- und Unterlandes die Preise für Rot- und Weissweine festgelegt, welche dann als Ansatz für die Umgeldberechnung dienten. Später gaben dann (bis 1852) die Gemeinden dem Oberamt jährlich die aktuellen Weinpreise bekannt, woraus 
dann für das ganze Land ein Durchschnittspreis für die Rot- und Weissweine errechnet wurde.522 Im Jahre 1848 überliess der Fürst das Umgeld, das bisher in die Fürstliche Rentamtskasse ge- flossen war, vollumfänglich dem Land Liechten- stein.523 Durch den Zollvertrag mit Österreich 1852 wurde diese Getränkesteuer schliesslich aufgeho- ben und durch die neue österreichische «Verzeh- rungssteuer» ersetzt.524 Die jährlichen Umgeldeinnahmen sind in den Rechnungsbüchern des Fürstlichen Rentamts auf- gelistet. Bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhun- derts wurde meist nur die Gesamtsumme des Um- geldes aller Wirtshäuser notiert. Ab etwa 1770 finden sich in einem Anhang zu diesen Rechnungs- büchern sogenannte «Restanten»-Beträge aus den Umgeldzahlungen der einzelnen Gaststätten auf- geführt, woraus gewisse Schlussfolgerungen auf Grösse und Umsatz einzelner Wirtshäuser gezogen werden können. Präzise verlässliche Angaben über die jährlichen Umgelder von jedem einzelnen Gast- haus, die auch Aussagen über konjunkturelle Schwankungen ermöglichen, sind erst ab 1785 zu finden.525 Die Höhe der Umgeldzahlungen gibt einen ge- wissen Aufschluss über Stellenwert und Bedeutung eines Wirtshauses. Dies wird besonders deutlich, wenn - wie es in den folgenden Unterkapiteln ge- schieht - die Umgelder von mehreren Wirtshäu- sern desselben Dorfes miteinander verglichen wer- den. Es ergibt sich naturgemäss ein Zusammen- hang zwischen den Ausschankpreisen der Weine und dem Ausmass der Umgeldbeträge. Die Tabel- len im Anhang geben einen Überblick über die gesamt-liechtensteinischen Umgeldeinnahmen von 1750 bis 1848 sowie über die Ausschankpreise der Rot- und Weissweine im Zeitraum 1785 bis 1848. Bemerkenswert ist, dass sich das eidgenössische Krisen- und Hungerjahr 1771 überhaupt nicht auf das hiesige Gastgewerbe auszuwirken schien. Die Umgeldbeträge aus den liechtensteinischen Wirts- häusern weisen für 1771 und 1772 sogar deutlich höhere Zahlen gegenüber den Vorjahren aus.526 Der markante Einbruch in den Kriegsjahren 1798, 1799 und 1800 vermag hingegen nicht zu überra- 98
	        

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