Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1998) (96)

Der volksmagische Alltag als Hintergrund der Hexen- verfolgungen Bei den überlieferten Quellen zum Hexenwesen ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen Aussa- gen, die während der Verfahren zumeist unter Ein- wirkung der Tortur erfolgten, und den mehr oder weniger freiwilligen Äusserungen vor den Inqui- sitoren, die vor Ort belastendes Material über bestimmte Personen sammelten. Obwohl sich zwi- schen den beiden Ebenen keine klare Grenze ziehen lässt, ist doch festzustellen, dass in den grossteils erfolterten Geständnissen vor Gericht die theologisch-juristischen Auffassung vom Hexenwe- sen, in den Aussagen vor den Inquisitoren jedoch volkstümliche Vorstellungen überwogen. Die Angaben bei den Inquisitionen ermöglichen aufschlussreiche Einblicke ins Alltagsleben der Menschen und besonders in diejenigen Problem- bereiche, die einen fruchtbaren Nährboden der He- xenverfolgungen bildeten. Ihre Darstellung erfor- dert Kategorisierungen, die allerdings nur als Hilfs- konstruktionen gelten können, da sich die meisten Fälle nicht leicht abgrenzen lassen. Ausserdem ist bei den einzelnen Beispielen oft das Verhältnis zwi- schen Ursache und Wirkung nicht klar fassbar. Wir wissen nicht, inwieweit die geschilderten Verhal- tensmuster schon Verdächtigungen voraussetzten beziehungsweise erst solche erzeugten. Eine wich- tige Rolle spielten auch im hier untersuchten Raum die volksmagischen Spezialisten, die Segner und Heiler. 
DIE ALLTAGSPROBLEME HEXENSIPPEN Eine Grundlage der Hexenverfolgungen bildete der schlechte Ruf, in dem bestimmte Familien über Generationen hinweg standen. Bei anderen Sippen hingegen, deren Abstammung als «rein» galt, konnte man es nur schwer glauben, dass sie etwas mit dem Hexenwerk zu tun haben sollten. Wie im vorigen Kapitel dargelegt wurde, liess sich der Fle- xereiverdacht, in den Elisabeth Hartmannin aus Schaan geraten war, für manche Leute nur so erklären, dass sie das Laster während ihrer Dienst- zeit in Feldkirch gelernt haben musste. Das Bewusstsein des Rufs, in dem die eigene Familie stand, wirkte tief ins Alltagsleben hinein. So weigerte sich Rosina Beckin aus Schaan, eine Kuh gemeinsam mit einer anderen Familie zu hal- ten und sie abwechselnd zu melken. Wenn dem Tier etwas geschehe, würde es nämlich gleich heis- sen, sie sei eine Beckin. Als das Tier bald darauf tatsächlich erkrankte, wurde ihr aber trotzdem die Schuld daran gegeben, und zwar ohne dass sie es angerührt hatte. Zwischen der Bevölkerungsgruppe der «Reinen» und dem «Flexenvolk» bestanden auch Heiratsbar- rieren, die man selbstverständlich nur von der einen Seite aufrechtzuerhalten trachtete und die mitunter für böses Blut sorgten. Die Trennungslinie zwischen den beiden Gruppen deckte sich nicht mit der sozialen Schichtung der Bevölkerung. Maria Stegnerin etwa stand in einem derart schlechten Ruf, dass die männlichen Heiratskandidaten eine Eheschliessung mit ihr trotz ihres hohen Vermö- gens gescheut haben sollen. LEBENSWANDEL UND VERHALTEN Der schlechte Ruf der meisten Personen gründete nicht allein auf ihrer familiären Herkunft. So stammte zum Beispiel Jakob Blaicher aus Eschen nicht nur von einem liederlichen und verdächtigten 48
	        

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