Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1998) (96)

Die Prozesse Dr. Christians fanden gegen Perso- nen sowohl aus der Herrschaft Schellenberg als auch aus der Grafschaft Vaduz statt. Sie forderten nachweislich mindestens neun Todesopfer, ihr Zahl könnte sich jedoch auch auf ein Vielfaches belaufen haben. DIE «BRÜGLERISCHEN PROZESSE» VON 1679 UND DER WIDERSTAND DER STÄNDE Unter Landvogt Dr. Brügler wurden 1679 in der Grafschaft Vaduz Hexenprozesse geführt, die 20 Personen das Leben kosteten. Wie aus den Unter- lagen hervorgeht, fanden die ersten Verhaftungen Mitte März statt. Die Beisitzer - die Landammän- ner Wolf und Bürkle sowie der Zoller Kaspar Schreiber - wurden für 80 Tage bezahlt, das heisst, die Verfahren dauerten mindestens bis Ende Mai. Die Inquisitionen über die Delinquenten waren zum Teil schon vier Jahre früher vorgenommen und aufgezeichnet worden. Vor dem Beginn der Verfahren legte das Gericht die entsprechenden Unterlagen vorschriftsgemäss einem Juristen, und zwar Dr. Thomas Welz in Lin- dau, zur schriftlichen Begutachtung vor. Die folgen- den Prozesse stiess jedoch bald auf Widerstand bei breiten Kreisen. Der Graf und seine Beamte wur- den 
deshalb öffters gewahmet und gleichsamb gebetten .... in dergleichen schweren malefiz Pro- cessen behuetsamer fürzufahren.127 Trotzdem sollen die Prozesse so geführt worden sein, dass die Grafschaft Vaduz und die Herrschaft Schellenberg - laut Aussage der Feldkircher Beam- ten 
- in der ferne undt nähe in einen sehr üblen Ruf kamen, der zur Sorge Anlass gab, dass man sogar in publicis commercijs ein abscheuen tragen undt dardurch ein unwiederbringlicher schaden erfol- gen möchte. In Schwaben und in anderen Nachbar- ländern sage man schon, dieser oder 
jener seye auß dem hexenlandt. Schuld an dem schlechten Ruf seien einerseits der Graf selbst mit seinen dif- famierenden Reden in der Öffentlichkeit, anderer- seits die Vaduzer Beamten, welche die Gerichtspro- tokolle schlecht verwahrten, nicht die erforderliche 
Verschwiegenheit an den Tag legten und die Pro- zesse unordentlich führten.128 Manche Personen führten den Widerstand gegen die Hexenprozesse darauf zurück, dass nun auch immer stärker die Machtelite von den Verfolgungen betroffen wurde. Der Maurer Christian Zindt aus Schaan zum Beispiel war der 
Meinung, es werde das hexen prennen bald aufhören, dann der aman Wolff hab khain lust mer darzue, weil es ime zu nachendt in sein freindtschafft khome.129 Was auch immer die Gründe für die Unzufrie- denheit waren: Durch die «Brüglerischen Prozes- se» fühlten sich sowohl die Geistlichkeit als auch die gesambte diese landtschafft veranlasst, zusam- men mit den Beamten des Feldkircher Vogteiamts und den Feldkircher Stadtdeputierten vom Grafen zu verlangen, dass die Prozessakten zur Begutach- tung an eine Universität übersandt würden, nach deren Urteil man sich richten solle.130 Die Hexenprozesse hatten eine breite Front des Widerstandes hervorgerufen, deren Entstehung anhand der vorliegenden Dokumente nicht genau- er nachvollziehbar ist. Sogar der Churer Bischof hatte den Vaduzer Landesherrn ermahnt. Zur Ver- hinderung von 
künftigen inconvenienzen wandte sich der Bischof schliesslich am 1. Juni 1679 - also unmittelbar am Ende der Prozesse - mit einem Beschwerdeschreiben sogar an Kaiser Leopold in Wien. Darin sprach von 
den grosse[n] beschwer- nussen und Ungleichheiten, welche die Untertanen vom Grafen zu erleiden hatten. Der Bischof erklär- te auch, dass die Hoffnung auf Besserung ver- gebens sei, ganz im Gegenteil: Der Graf habe nun auch vor den Geistlichen den Respekt ganz verlo- ren.131 Wenn man von der Beschwerde der gräf- lichen Geschwister im Jänner 1679 absieht, die vornehmlich innerfamiliäre Hintergründe hatte,132 setzte der Bischof von Chur mit seiner Eingabe den ersten Schritt zur Involvierung des Kaisers in die verhängnisvolle Entwicklung zu Vaduz. Kurzfri- stige Veränderungen waren davon allerdings nicht zu erwarten. Zunächst sah es ohnehin so aus, als ob die Pro- bleme ohne grösseres Aufsehen gelöst werden könnten. Nachdem man dem Landesherrn nämlich 22
	        

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