Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1998) (96)

Die Gerichtsleute blieben auf alle Fälle auch nach der Einleitung der Verfahren von Seiten bestimmter Leute einem starken Druck ausgesetzt, die gerichtlichen Verfolgungen fortzusetzen. Laut einem Injurienverfahren des in Vaduz wohnhaften Ammanns Thomas Hilti62 gegen Sebastian Walser vom September 1648 hatte sich letzterer gerühmt, er habe dem fendrich Krantzen ins maul gesagt, wan sey mit denen armmen leüthen nit weiter forth fahren werden, sollen sey guet achtung auf sich geben und guete laterna nemmen. Sogar dessen bereits inhaftierter Vetter Flans Walser habe er- klärt, man solte nur nit Inhalten, sondern weiters mit den armmen leüthen fortfahren und niemandts verschonen. Dahinter steckte ein gefährliches Be- dürfnis nach Rache, welche auch das Gericht nicht verschonte. Hans Walser erklärte nämlich auch, der über ihne den stab brechen werde oder richten, seye so schlecht alß er selbsten.63 Über das Ausmass der damaligen Prozessserie sind wir nur vage unterrichtet. Der Chronist Hans Keyser (1594-1674) aus Zizers berichtet in seinen Aufzeichnungen, «dass in Jaren 1648 sind zu Va- duz in die 14 Personen, darunter 2 Mann, das andere Weiber mit dem Schwerd gerichtet worden und dann alsbald auf ein Haufen Holz und Stroh gelegt und zu Aschen verbrannt worden, von we- gen dass sie sich Gottes verleugnet und Hexenwerk getrieben. In den Jahr 49 und 50 sind zu Vaduz und Eschenberg64 mehr denn 100 personen in gemelter Form gericht worden.» Die Prozesse von 1651 berücksichtigte Hans Keyser nicht mehr, da er in diesem Jahr seine Eintragungen beendete.65 Der Herausgeber seiner Chronik charakterisierte ihn als einen einfachen «Landmann, der trotz sei- ner dürftigen Schulbildung wertvolle, zeitgenössi- sche Begebenheiten lokalhistorischen Charakters hinterlassen hat», die sich «mit überraschender Genauigkeit» in die bekannten historischen Ab- läufe einfügen.66 Dennoch ist die Verlässlichkeit der Zahlen für die Jahre 1649 und 1650 skeptisch zu betrachten, zumal die Angabe «mehr als hundert» noch heute landläufig oft einfach «viel» bedeutet. Ein Rückschluss von den wenigen quellenmässig gesicherten Zahlen zu den Todesopfern auf den Ge-samtumfang 
der Hexenprozesse spricht aber im grossen und ganzen für das Ausmass, das Hans Keyser anführte. Die Gerichtsverfahren, die in der Herrschaft Schellenberg nachweisbar vom 25. Juni bis zum 11. Juli 1650 stattfanden, endeten mit der Hinrichtung von acht Personen; die Prozesse in der Grafschaft Vaduz dauerten vom 11. August bis zum 23. September und forderten 18 Menschenleben.67 Nimmt man an, dass die Verfahren von 1649 und 1651 in ähnlicher Intensität geführt wurden, so ist bei den gerichtlichen Hexenverfolgungen von 1648 bis 1651 tatsächlich von einer Gesamtzahl von un- gefähr 100 Todesopfern auszugehen. Von dem ad 1651 gehaltenen malefiz process erfahren wir nur aus spärlichen Quellen.68 Eines der damaligen Opfer war der Triesner Nikolaus Tanner, der in den örtlichen Matrikenbüchern mit dem Beisatz «ehemals verbrannt» vermerkt ist.69 Über das Ende der Hexenprozessserie um die Mitte des 17. Jahrhunderts wusste schon Peter Kai- ser nichts mehr zu berichten. Vielleicht spielte damals - wie häufig auch anderswo70 - der Um- stand eine gewisse Rolle, dass im Zuge der Verfah- ren die Gerichtsleute selbst oder Personen aus ihrer Verwandtschaft der Flexerei bezichtigt wur- den. Dafür spricht jedenfalls die Tatsache, dass sich die Ammänner Thomas Hilti aus Vaduz und Adam Kranz aus Schaan71 im August 1651 juri- stisch gegen Ursula Maurerin zur Wehr setzten mussten, die erklärt hatte, die Ammänner und ihre Verwandten seyen alle in dem laidigen hexenwes- sen behafft.72 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass 1645, 1649 und 1651 auch in der benachbarten Stadt und Herrschaft Feldkirch Hexenprozesse stattfanden.73 Der von Ludwig Rapp unterstellte Zusammenhang des Verfahrens gegen die Rank- weiler Pfarrersköchin Martha Lochbühlerin mit den Vaduzer Prozessen lässt sich bislang nicht belegen.74 Auch in der Grafschaft Hohenems, wo Graf Karl Friedrich (1622-1675), ein Bruder des Vaduzer Landesherrn Franz Wilhelm, regierte, fan- den um die Jahrhundertmitte umfangreiche He- xenverfolgungen statt.75 Am 30. Dezember 1650 erliess Karl Friedrich von Hohenems ein Mandat 16
	        

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