Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1998) (96)

zahl - im überregionalen Vergleich eine ausserge- wöhnlich hohe Intensität auf. Auf die zweite verbreitete Fehleinschätzung stösst man schon in den Darlegungen des desig- nierten Feldkircher Vogteiverwalters Dr. Franz Gugger um 1682 und bald darauf in einem Schrei- ben des kaiserlichen Kommissars Rupert von Bod- man, wo behauptet wurde, 
dass lust und appetit zu frembden güther[n] das einzige aliicimentum (Verlockung) für die liechtensteinischen Hexenpro- zesse gebildet hätten. Die Geldgier sei, besonders wegen der 
Verschuldung, gleichsam der zunder gewesen, wardurch so vihl arme leüth auf dem Scheiterhaufen zu aschen verbrandt worden.512 Von Bodmans Darlegungen führt eine Linie zu Peter Putzers Auffassung, die letzten liechtensteinischen Hexenprozesse seien «ein organisierter Raubzug der Obrigkeit und ihrer willfährigen Beamten ge- genüber den eigenen Untertanen» gewesen.573 Die Vorgänge waren jedoch viel komplexer. Es standen sich keineswegs nur die geldgierige Obrigkeit und die ausgebeuteten Untertanen gegenüber. Weite Kreise der Bevölkerung empfanden ein starkes Be- dürfnis nach Hexenverfolgungen. Dabei spielten auch keineswegs nur materielle Interessen eine massgebliche Rolle. Eine Tatsache ist allerdings, dass die Hexenver- folgungen eng mit der überaus schlechten finan- ziellen Lage der Grafschaft Vaduz und der Herr- schaft Schellenberg zusammenhingen. Die Unter- tanen waren wie diejenigen im Herrschaftsbereich des emsischen Stammhauses - in der Grafschaft Hohenems und im Reichshof Lustenau - durch Kriegskosten und Bürgschaften auf schwerste be- lastetet. Ähnlich wie unter dem Vaduzer Grafen Ferdinand Karl von Ems schlitterte die «zerfahrene Regierung und zerrüttete Haushaltung des haltlo- sen Grafen Franz Karl» unaufhaltsam in den Bank- rott und führte zur Flucht des Grafen im Jahre 1687. Auch wenn darüber hinaus in Hohenems ungefähr gleichzeitig wie in Vaduz die letzten Hexenprozesse stattfanden,574 ergibt sich aus der Finanzkrise, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein weitverbreitetes Phänomen beim deutschen Adel bildete,575 keine Automatik von Hexenverfolgungen. 
In beiden Territorien, in Hohenems und in Vaduz-Schellenberg, fehlten jedoch die verwal- tungstechnischen Hürden der Hexenprozesse, die in dem grossräumigen Herrschaftskomplexen, zu denen die österreichischen Gebiete vor dem Arl- berg zählten, ausgesprochen verfolgungshemmend wirkten.576 Gleichzeitig wurden die beiden kleinen Herrschaftsbereiche gerade von ihrem mächtigen österreichischen Nachbarn in Bedrängnis und da- mit auch in eine Lage gebracht, die Verfolgungen begünstigte bzw. provozierte. «Außer einer, der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage nicht recht an- gepaßten standesgemäßen) Hofhaltung wird man vor allem auch den österreichischen Absolutismus für den Niedergang des Hauses Hohenems mit- verantwortlich machen müssen. An dem Wohlwol- len Österreichs hing ja von jeher Wohl und Wehe dieses reichsfreien Fremdkörpers im österr. Ge- biete ab. Sobald dieses Wohlwollen ernstlich ver- scherzt war, mußte der Niedergang unausweich- lich folgen.»577 Und dies war im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts der Fall. Während also die Ausbildung eines absolutistisch regierten öster- reichischen Herrschaftsgebildes die gerichtlichen Hexenverfolgungen innerhalb seines Territoriums massgebhch eindämmte, wirkte sie ausserhalb desselben indirekt verfolgungsfördernd. In kleinräumigen Territorien fanden jedoch nicht automatisch häufiger Hexenverfolgungen statt als in grossräumigen Staatsgebilden. Das Feh- len einer zentralen politischen Gewalt war zum Beispiel in der vormaligen Grafschaft Holland, in der auf Grund der hohen wirtschaftlichen Prospe- rität kein Interesse der Bevölkerung an Zauberei- prozessen mehr bestand, sogar eine Voraussetzung für die frühe Beendigung der Verfolgungen um 1600.578 In der Grafschaft Vaduz und der Herrschaft Schellenberg hingegen existierte aufgrund der wirtschaftlichen Misere ein ausgeprägtes Bedürfnis weiter Bevölkerungskreise nach Hexenverfolgun- gen, das seinerseits wiederum nicht wenig zur Zerrüttung des Staatswesens beitrug. Nach einem ersten, bald jedoch korrumpierten Widerstand der Stände gegen die Hexenprozesse von 1679 münde- 124
	        

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