Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1998) (95)

Die Geschwister Nigg in Liechtenstein DIE FAMILIE NIGG UND DIE ZEITUMSTÄNDE LIECHTENSTEIN IN DER ZWEITEN HÄLFTE DES 19. JAHRHUNDERTS Im folgenden soll die Zeit, in der sich diese Einzel­ schicksale ereigneten, etwas näher beleuchtet wer­ den. Wirtschaftlich gesehen war Liechtenstein da­ mals sehr rückständig. Die Landwirtschaft des rei­ nen Agrarlandes stand auf einem sehr niedrigen Niveau. Fürst Alois II.5 wollte das Land von Grund auf modernisieren. Dies stiess keinesfalls auf Be­ geisterung, viel mehr herrschte grosse Unzufrie­ denheit in der Bevölkerung. Es war eine Zeit des Umbruchs. Der Widerstand gegen die Obrigkeit wuchs. Dies führte zur Revolu­ tion von 1848, die auch an Liechtenstein nicht spurlos vorbeiging. In Balzers entsprang dem ju­ gendlichen Übermut der Burschenschaft die Idee einer Verschwörung.6 Sie richtete sich aber nicht primär gegen die Regierung und das Fürstenhaus, sondern vor-allem gegen landfremde Beamte. , Das Scheitern der Revolution und die Rückkehr zum Absolutismus hatten auch für unser Land Konsequenzen. Die Einführung einer neüen Verfas­ sung wurde hinausgeschoben. Noch schwerer aber lastete die wirtschaftliche Not dieser Zeit auf den Schultern der Menschen. Durch den im Jahre 1852 mit Österreich abge­ schlossenen Zollvertrag richtete sich Liechtenstein politisch und wirtschaftlich auf die Donaumonar­ chie aus. Der freie Personen- und Warenverkehr zwischen den beiden Ländern sollte später für die Geschwister Nigg noch von Bedeutung sein. Reformen in Österreich ermöglichten auch in Liechtenstein die Modernisierung der absolutisti­ schen Regierungsform. Durch die Verfassung von 1862 wurden dem Volk wichtige Grundrechte ga­ rantiert und die wichtigsten Voraussetzungen für einen Rechtsstaat geschaffen. Die Bevölkerung be- grüsste die Gewaltenteilung und das Recht auf un­ abhängige Richter freudig. Der Fürst wahrte zwar seine monarchischen Rechte in hohem Masse, 
trotzdem war er nun an die Verfassung gebunden und konnte nicht mehr uneingeschränkt herr­ schen. Die neue Verfassung sah drei Gerichtsinstanzen vor. Die erste war das Landgericht in Vaduz. Als zweite Instanz fungierte das fürstliche Appella­ tionsgericht in Wien. Die Funktion des Obersten Gerichtshofes wurde dem Oberlandesgericht für Tirol und Vorarlberg in Innsbruck übertragen. Dieser sanfte Demokratisierungsprozess liess auch ein seit Jahrzehnten gefordertes neues Ge­ meindegesetz zu. Die Bürger durften nun den Vor­ steher, die Gemeinderäte sowie einen Kassier wählen. Den Gemeinden wurde eine eigene Ver­ waltung zugestanden. Der Gemeindevorsteher er­ hielt grössere Kompetenzen, die aber immer noch von der Regierung in Vaduz kontrolliert wurden. Ab dem Jahre 1860 setzte in Liechtenstein die Industrialisierung ein. In der Folge wurde auch in Triesen eine Textilfabrik gegründet. Die Mehrheit der Liechensteiner verdiente den Lebensunterhalt aber weiterhin in der Landwirtschaft. Die Armut in Liechtenstein liess in den Jahren nach der Revolution viele Menschen auswandern. Dutzende von Triesnern, so auch Elisabeth Kindle7, eine Cousine der Geschwister Nigg, verliessen ihre Heimat in Richtung Amerika. Die Auswanderung der Geschwister Nigg nach Afrika stellt deshalb für Liechtenstein eine Ausnahme dar. Durch den wirtschaftlichen Aufschwung ab dem Jahr 1860 liess die erste Auswanderungswelle nun merklich nach. Bis zum Tode von Josefa Kindle- Nigg, dem sechsten der Geschwister Nigg, im Jahre 1934 erlebte unser Land aber noch weitere Aus­ wanderungswellen.8 HERKUNFT UND FAMILIÄRE VERHÄLTNISSE Johann Nigg ist der Stammvater der Meierhof- Nigg. Er zog 1658 von Triesenberg nach Triesen herunter. Jakob und Josef, zwei seiner Enkel, wur­ den ab 1740 Pächter auf dem Meierhof.9 Josef Nigg, geboren 1806, ein Urenkel des oben genannten Jakob, heiratete im Jahre 1835 Kres­ 80
	        

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