Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1998) (95)

«AM RANDE DER BRANDUNG» PETER GEIGER sehen Departement die Erwartung Liechtensteins zu äussern, dass die Alliierten bei einer allfälligen Wiedergutmachung von deutschen Repressalien gegenüber fürstlichem Gut behilflich sein sollten. Und Regierungschef Hoop liess Stucki wissen, Liechtensteins Beitritt zu den Verhandlungsergeb- nissen solle als «aus dem Zollvertrage erfliessend» dargestellt werden.19 Der Bundesrat beschloss, wie erwähnt, am selben Tag, 16. Februar, die Sperrung aller deutschen Guthaben in der Schweiz und ver- bot den Ankauf deutschen Goldes. Das selbe galt sogleich für Liechtenstein.20 Im Sommer 1945 kol- portierte ein britischer Journalist, der Liechten- stein besuchte, dann in einem englischen Artikel das Gerücht, in Vaduz seien Besitzer deutscher Guthaben aus eingeweihten Kreisen vorgewarnt worden; in Koffern habe man noch rechtzeitig Gold und Werte abgezogen.21 Die Regierung hatte im Winter vor dem Kriegs- ende vieles andere zu tun. Die Evakuierung der fürstlichen Kunstgüter aus Wien beziehungsweise von den Auslagerungsorten wurde an die Hand ge- nommen.22 Regierungschef-Stellvertreter Dr. Vogt reiste zu diesem Zwecke noch im November 1944 für eine Woche nach Berlin, um zu verhandeln. Deutsche Reichsstellen stemmten sich gegen eine Ausfuhr der fürstlichen Sammlung, weil ein be- trächtlicher Teil als «Reichskulturgut» Gross- deutschland nicht verlassen sollte. Schliesslich ge- nehmigte man die vorübergehende Auslagerung nach Westen, teils auf die Insel Reichenau, teils ins Fürstentum. Mit grossem Aufwand, Güterwagen, Lastwagen und etlichen Tricks konnte schliesslich alles ins Land gebracht werden. Beteiligt waren - neben Dr. Vogt und Dr. Hoop - Dr. Gustav Wilhelm, Graf Artur Strachwitz, Schwager des Fürsten23, der Berliner Bankier Adolf Ratjen und der Berliner Jurist Dr. Josef Steegmann.24 Einreise bei Kriegs- ende, Aufenthalt in Liechtenstein und fürstliches Ehrenbürgerrecht waren Ratjens und Steegmanns Lohn.25 Am 14. Februar auch wurde im Fürstenhaus Erbprinz Johannes Adam Pius, der heutige Fürst Hans-Adam IL, geboren. Anfang März wurde er bei Schneetreiben in Vaduz getauft, Pate war der neue 
Papst Pius XII., er sandte als Stellvertreter Nuntius Bernardi.2fi Ende Februar, die Rote Armee stand in Ungarn, wurde vom Fürsten und der Regierung auch die Evakuierung der Mitglieder der fürstlichen Familie aus Wien und Umgebung veranlasst, mit einem Omnibus von Frommelt, Vaduz, und einem Lastwa- gen samt Anhänger von Gerster, Vaduz. Unterwegs gerieten sie in Fliegerbeschuss, stiessen auch An- fang März im Schnee nahe Salzburg noch mit einem Fahrzeug der Wehrmacht zusammen. Der Lastwagen musste abgeschleppt werden. Sie er- reichten - wenige Tage nach der Erbprinzentaufe - am 12. März Feldkirch, sieben Wochen vor Kriegs- ende. Eine mitfahrende Person wurde von der Gestapo noch aus dem Bus geholt.27 An dem Tag wurde in Wien der Stephansdom durch Bomben 17) Bundesratsbeschluss vom 16. Febr. 1945 über die vorläufige Regelung des Zahlungsverkehrs zwischen der Schweiz und Deutsch- land, Eidgenössische Gesetzessammlung, 1945. Nr. 8, S. 85-90. - Heinz K. Meier: Friendship under Stress. U.S.-Swiss Relations 1900-1950. Bern 1970. S. 339 IT. - Daniel Frei: Das Washingtoner Abkommen von 1946. Ein Beitrag zur Geschichte der schweizeri- schen Aussenpolitik zwischen dem Zweiten Weltkrieg und dem Kal- ten Krieg. In: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, 19/1969/3, S. 567 ff. - Edgar Bonjour: Geschichte der schweizerischen Neutra- lität, Bd. VII, Dokumente 1939-1945. S. 361-382. - Documents Diplomatiquos Suissos, Diplomatische Dokumente der Schweiz. Documenti Diplomand Svizzeri 1848-1945, Vol. 15 (1943-1945). Bern 1992, S. 883 ff. 18) LLA RF 229/418. 19) Ebenda. 20) Der Bundesratsbeschluss vom 16. Febr. 1945 (siehe oben Anm. 17) schloss in Art. 12 Liechtenstein ausdrücklich mit ein. 21) LLA RF 230/478. 22) Siehe den Bericht von Gustav Wilhelm in diesem Band. 23) Graf Artur Strachwitz: Wie es wirklich war. Erinnerungen eines Achtzigjährigen. Dümeln 1991, S. 337-347. 24) LLA RF 226/69, 227/199. 229/91. 25) LLA RF 226/69. - Strachwitz, s. oben Anm. 23. - HA Schloss Vaduz. Korrespondenz Kabinettskanzlei 1945/27, 1944/87. 26) Robert Allgäuer/Norbert Jansen/Alois Ospelt: Liechtenstein 1938-1978. Bilder und Dokumente. Vaduz 1978, S. 110 f. 27) LLA RF 226/69. 227/199, 228/59. - LLA J 408/197. - «Fahrt- bericht» 27. Febr. - 13. März 1945 von Eugen Frommelt, HA Schloss Vaduz. Korrespondenz Kabinettskanzlei 1945/ad 4. 57
	        

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