Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1998) (95)

DER WEG DER LIECHTENSTEIN-GALERIE VON WIEN NACH VADUZ / GUSTAV WILHELM bahndirektion in Villach war es möglich, die Wag- gons bis nach Schaan-Vaduz aufzugeben, wohl des- halb, weil der Bahnhof Schaan-Vaduz noch ein Bahnhof der deutschen Reichsbahn war und die Mauterndorfer nicht wussten, dass er bereits auf dem Gebiet des Fürstentums lag. Es schien die Sonne, und wir hofften, dass der Waggon über Unzmarkt hinausrollen würde und der dortige Bahnhofvorstand seine Zusage halten könne. Sehr brav waren die Leute des Reichsarbeitsdienstes, meist junge Polen, Zwangsarbeiter, die das Ber- gungsgut durch die sehr weitläufige Burg heraus- trugen zu den Schlitten. So ging es auch am nächsten Tag weiter, es gab manches Missgeschick, so platzten die meisten Verschläge mit den Kupferstichen und die Mappen lagen im Schnee, eine Kiste mit Archivalien des Fa- milienarchives zerbarst, als sie einem der Polen auskam und über die Stiegen in den Burghof hin- untersprang. Aus dem rinnenden Schnee musste alles wieder zusammengesammelt und getrocknet werden. Sonntag mussten wir rasten, ob wir woll- ten oder nicht, es war herrliches sonniges Wetter. Montag früh war Steinlechners Auto defekt und wir konnten erst mit ziemlicher Verspätung anfangen. Inzwischen waren natürlich in Mauterndorf die am Bahnhof stehenden Schweizer Möbelwagen aufgefallen, und das war nicht gut. Die Leute in Mauterndorf hatten zu viel Kombinationsgabe, und da die Burg in Mauterndorf dem Reichsmarschall Göring gehörte, entstand bald das Gerücht, dass dieser seinen Besitz nach der Schweiz abtranspor- tiere, bevor der Feind komme. Etwas Unangeneh- meres hätte nicht passieren können, wenngleich wir im Moment nur darüber lachten. Eine Fuhre Bilder hatten wir eben in Mauterndorf eingeladen, als der Bahnhofvorstand aufgeregt zu uns kam mit einer Depesche des Landrates von Tamsweg fol- genden Inhaltes: «Der Gauleiter von Salzburg als Reichsverteidi- gungskommissär hat per sofort jeglichen Abtrans- port von Wagen mit Gut aus Fürst Liechtenstein- schem Besitz vorderhand verboten. Es sind daher die noch abzutransportierenden Waggons nicht ab- zufertigen. Tamsweg, 5. 2.1945.» 
Steinlechner wurde zum Fahrbereitschaftsleiter nach Tamsweg vorgeladen, um Auskunft über die Durchführung der Transporte zu geben. So stand ich nun ohne jedes Motorfahrzeug nur mit meinen Ochsenschlitten da. Ich liess die Schlitten weiter von den Polen beladen und zockelte nun auf diese langsame Weise den langen Weg bis zum Bahnhof Mauterndorf, wo ich meinen Wagen ohne Stein- lechners Hilfe fertig belud. Es war klar, dass es so nicht weitergehen konnte; denn ich hatte den ganzen halben Tag hindurch nur drei Ochsenschlit- ten nach Mauterndorf gebracht. So fuhr ich diens- tags früh mit Steinlechner nach Tamsweg zum Landrat. Zwischen Schneewänden, die so hoch wa- ren wie der Autobus, schwankte der überfüllte Wagen dahin. Selbst für diese kurze Fahrt war eine Fahrbewilligung notwendig gewesen. In Tamsweg teilte uns Dr. Simel mit, dass die Be- völkerung der ganzen Umgebung sehr aufgebracht sei über meine Transporte, weil sie dachten, ich führe sie für den Reichsmarschall Göring durch, der wegen der verzweifelten Kriegslage davonlau- fen wolle. Ausserdem habe man auf den herr- schenden Waggonmangel hingewiesen und ver- langt, man solle meine Waggons beschlagnahmen und damit Lebensmitteltransporte durchführen. Es habe eine Konferenz der Bürgermeister des Bezir- kes stattgefunden, wo auch die Ansicht vertreten wurde, Graf Wilczek flüchte sein Eigentum ins Ausland. Der Kreisleiter habe die Situation dem Gauleiter gemeldet, der darauf das dem Bahnhof- vorstand übersandte Verbot erliess. Nur beim Gau- leiter in Salzburg sei eine Aufhebung des Verbotes zu erwirken. Ich wies daraufhin, dass nur unbedeu- tende Reste mehr in Moosham lagerten, zeigte alle meine amtlichen Dokumente und erhielt schliess- lich die Bewilligung, die Möbelwagen fertig zu bela- den. Auch die Zollplomben durften noch angelegt werden. Wegen des Absendeverbotes müsse ich aber mit dem Regierungspräsidenten von Salzburg sprechen, sonst blieben meine beladenen Möbel- wagen eben in Mauterndorf stehen. Inzwischen hatte sich bereits der Bahnhofvor- stand von Unzmarkt gemeldet: Er frug an, wann meine Möbelwagen kämen, er habe heimlich Loren 33
	        

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