Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1998) (95)

ebenso ernster Miene. Es war ganz unmöglich, ein- fach Prost zu sagen; denn das machten doch nur die «schlappen Ostmärker», wie deutsche Zungen uns Wiener damals gerne nannten. Eines Tages teilte der General mir mit, er sei jetzt woanders hinversetzt worden, er könne mich leider nicht weiter vom Militär frei halten. Und so erreichte mich dann doch im Spätherbst 1944 während des Kurzbesuches daheim in Niederösterreich die schriftliche Einberufung, welche ich zerriss, um mich bei einer behördlichen Befragung auf den Nichterhalt eines solchen Schreibens ausreden zu können. In der Nacht noch schnürte ich meinen Ruck- sack im Bewusstsein, meine Familie und mein Hei- matdorf in Niederösterreich so bald nicht wieder zu sehen und fuhr in der Morgendämmerung nach Wien und mit der Westbahn Richtung Feldkirch. Diese Fahrt dauerte damals zwei Tage, da die Bahntrassee wiederholt von den Fliegern zerstört war und man mit kleinen Bauernwagen transpor- tiert wurde bis dort, wo die Schiene wieder intakt war. In Vaduz erhielt ich dann liechtensteinische Papiere. Tags darauf fuhr ich mit Ratjen über Bregenz nach Konstanz, wo wir mit Dr. Vogt aus Vaduz und mit Dr. Hohner zusammentrafen. Mit dem letzteren fuhr ich dann nach der Insel Reichenau. Das Schloss Königsegg war für die Unterbringung des Gaminger Bestandes wohl geräumig genug, klima- tisch war es allerdings recht feucht. Mir machte ausserdem auch der Umstand Sorgen, dass man auf der Reichenau wie in einer Mausefalle sass, da die Insel nur mit einer kleinen Brücke mit dem Festland verbunden war. Dieser Bedenken wegen benützte ich auf der Rückfahrt meinen Aufenthalt in Feldkirch, um mich nach einer anderen Bergungsmöglichkeit umzuse- hen. Die dortige Vertretung der Speditionsfirma Weiss unterstützte mich in diesem Bemühen. Ich sah mir die Schattenburg an, die mir wegen des vielen Holzwerkes recht feuergefährlich schien. Der Feldkircher Bürgermeister war sehr entgegen- kommend und hätte mir die Burg wohl zur Verfü- gung gestellt. Ich fuhr dann noch nach Hohenems, 
besichtigte dort den Palast des Marcus Sitticus, der sehr geräumig ist und auch hohe Tore und Türen besitzt. Beim Hohenemser Bürgermeister, zu dem ich dann ging, um mich wegen der Unterbrin- gungsmöglichkeit im Palast zu erkundigen, wurde mir mitgeteilt, er habe eben von der Feldkircher Kreisbehörde die Anweisung bekommen, mir eine Unterbringung von Kunstgut nicht zu gestatten. Sofort besuchte ich diese Behörde in Feldkirch, die sich wieder hinter einer Anordnung, die sie angeb- lich vom Reichsverteidigungskommissariat bekom- men habe, verschanzte. Vermutlich hatten die Wie- ner Behörden bereits Befehl gegeben, mir in der Nähe der Grenze kein Depot zukommen zu lassen. Heute muss ich sagen, dass es ein wahres Glück war, in Hohenems nicht unterzukommen. Denn in diesem Schloss verbrannte zirka fünf Jahre später der Grossteil der Gemäldesammlung des Grafen Lanckoronski infolge eines schadhaften Kamins. - In Feldkirch traf ich dann den Fürsten, dem ich über Reichenau und meine Erfahrungen in Vorarl- berg berichtete. Aus dem Westen wieder nach Wien zurückge- kehrt, war ich am 11. November nochmals bei Re- gierungspräsident Dr. Dellbrügge, um mit ihm über die durch die Ausfuhrbewilligung für die zweite Garnitur geschaffene neue Lage zu beraten. Als ich die Frage aufwarf, was nun mit der Galerie gesche- hen solle, waren sowohl Dellbrügge als auch Sei- berl, der der Besprechung beiwohnte, sehr ableh- nend und verwiesen mich auf das Salzbergwerk in Lauffen. Neben der Galerie wollten sie auch die Ausfuhr der graphischen Sammlung unter keinen Umständen gestatten. Schliesslich erreichte ich, dass die Galerie in zwei Teile geschieden wurde, in einen wertvollsten, der keinesfalls das Gebiet des ehemaligen Österreich verlassen dürfe, und einen weniger wertvollen Teil, der ausserhalb Österreichs gebracht werden dürfe, wobei es kennzeichnend für die damalige Lage war, dass die Herren erklär- ten, ob nach Deutschland oder Liechtenstein sei ihnen gleich. Man erwartete vom Fürsten nur eine bindende Erklärung über den Zeitpunkt der Rück- führung, keinerlei andere Garantien wurden ge- fordert. 28
	        

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