Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1998) (95)

REZENSIONEN WERDENBERGER JAHRBUCH 1997 striert durch historische Bildaufnahmen und ak- tuelle Fotos von Hans Stricker, auf denen die alten Wegläufe zum Teil noch gut erkennbar sind. Viele Wegverbindungen entstanden in der Folge der All- mendauflösung um 1800, die auch zu einer gewis- sen Zersiedelung führte: «Durch die Bedürfnisse der Nutzung bedingt, entstand in der Folge ein dichtes Netz schmaler Fussweglein, die jedes Ge- höft, ja fast jede Parzelle erreichten und diese un- tereinander verbanden. Dieses Wegnetz wurde bis zum Anbruch der Motorisierung stark benutzt und blieb - dank der von der bäuerlichen Bevölkerung als Selbstverständlichkeit betrachteten sorgfältigen Pflege - bis dahin ungeschmälert erhalten.»12 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wur- de dann die herkömmliche Tendenz im Wegbau zu- sehends in Frage gestellt. Die Planung der Grabser- bergstrasse nahm keine Rücksicht mehr auf ge- wachsenes Kulturland und auf Bewirtschaftungs- grenzen. Dem erst 1915 vollendeten Bau dieser Strasse ging ein jahrzehntelanger Streit zwischen Befürwortern und Gegnern voraus. Die Bewohne- rinnen und Bewohner des Grabserbergs waren es seit jeher gewohnt, die meisten Lasten auf dem ei- genen Rücken zu tragen. Viele waren folglich der Ansicht, dass die alten Fusswege, die zudem ko- stengünstig unterhalten werden konnten, ihren Zweck erfüllten. Also sahen diese Leute nicht ein, weshalb eine sehr teuere, 3,60 Meter breite Strasse gebaut werden sollte. Diese Auseinandersetzungen werden in einem Beitrag von Mathäus Lippuner ge- schildert. Ebenfalls von Mathäus Lippuner stammt der fol- gende Beitrag «Tragen und Führen am alten Grab- serberg. Transporte und Transportmittel vor der Motorisierung». Lippuner beschreibt hier alte Traggegenstände, wie zum Beispiel das «Reff», ein Rückentraggestell, welches sich gut zum Transport sperriger Gegenstände eignete. Ebenso erwähnt er die für Milchtransporte gebrauchte Holztanse, die heute - sofern noch vorhanden - «zum Schirmstän- der oder zum Dekorationsstück degradiert» ist.13 Weiters setzt Mathäus Lippuner einzelnen nament- lich bekannten Warenträgern und Ausläufern ein Denkmal, indem er ihren Arbeitsalltag schildert, 
der zudem durch interessantes Bildmaterial doku- mentiert ist. Die fortschreitende Motorisierung in den fünfziger Jahren verdrängte diese naturscho- nenden Transportformen, was für die betroffenen Menschen zwar eine enorme physische Erleichte- rung darstellte, jedoch einherging mit einem unwi- derbringlichen Verlust an Kultur und Tradition. Pferde als Zugtiere für Transporte werden je- doch vereinzelt immer noch eingesetzt, so zum Bei- spiel beim Holzrücken und Holztransport in schwierigem Gelände. Dies belegt Jürg Trümpier in seiner Abhandlung «Waldwege gestern und heute». Das 1902 revidierte Forstgesetz schuf die juristi- sche Grundlage und - mittels Subventionsspritze - erst den Anreiz zum Bau von befahrbaren Waldwe- gen, die jedoch primär der Waldnutzung dienten. Das war speziell nach den beiden Weltkriegen eine willkommene Arbeitsbeschaffung, doch heutzutage 5) Die «Sieben Orte» Zürich, Luzern. Zug, Uri, Schwyz, Unterwaiden und Glarus hatten 1483 die Herrschaftsrechte der Grafschaft Sar- gans käuflich erworben; die Herrschaft Werdenberg wurde dann 1517 Untertanengebiet von Glarus. 6) Diese - im Gegensatz zum bis 1490 bestehenden alten Saumpfad - auch für Fuhrwerke passierbare neue Schollbergroute wertete aber nicht nur die linksrheinische Nord-Süd-Verbindung, sondern auch die Ost-West-Verbindung auf. Die Schollbergroute dürfte zudem bereits im Mittelalter für die vom Tirol in die Schweiz gehenden Salztransporte ein wichtiger Durchgangsweg gewesen sein. 7) Dieser Bau war schon lange geplant, doch erst die Erfahrung der Hungerjahre 1816/17. die das Fehlen eines leistungsfähigen Ver- kehrsnetzes bei Ernährungsengpässen schmerzlich ins Bewusstsein gerufen hatten, brachten Bewegung in die Strassenbaufrage. Schliesslich bewilligte der St. Galler Grosse Rat 1821 die Summe von 61 000 Gulden für diesen Strassenbau. 8) Anders als heute wollten die Dörfer im 19, Jahrhundert noch den Durchgangsverkehr, da er sich einerseits in erträglichem Rahmen hielt und andererseits Verdienst, Wohlstand und Abwechslung in die Dörfer brachte. 9) Vgl. hierzu auch Wolfgang Schivelbusch: Geschichte der Eisen- bahnreise. Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahr- hundert. München, Wien, 1993. 10) Diese Pacht konnte von Privatpersonen übernommen werden, doch auch einzelne Gemeinden konnten als Pächterinnen auftreten. 11) Werdenberger Jahrbuch 1997, S. 124. 12) Ebenda. S. 126. 13) Ebenda, S. 160. 275
	        

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