Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1998) (95)

DER WEG DER LIECHTENSTEIN-GALERIE VON WIEN NACH VADUZ / GUSTAV WILHELM nehmen mit dem Reichsleiter der Ostmark, wie damals Österreich genannt wurde, Baidur von Schirach. Überraschenderweise erwiesen sich die Gespräche als sehr positiv, und Schirach, ein kultu- rell sehr aufgeschlossener Mensch, meinte, es sei doch das Natürlichste, wenn der Fürst für die Dauer des Krieges seine Schätze in sein neutrales Land verbringen würde. Hier ist darauf hinzuweisen, dass damals bereits im Reiche eine grosse Konkurrenz bestand zwi- schen der Partei, deren Exponent Schirach war, und dem Reichssicherheitsdienst (SD), welch letz- tere Stelle wenige Tage nach der Zusage Schirachs die Bewilligung zurückzog. Nun waren wir soweit wie bisher. Meine befreundeten Kollegen aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien organisierten eine Intervention direkt bei Hitler, die aber im San- de verlief. Der Häuptling des Reichssicherheits- dienstes für die Ostmark war während des Krieges Dr. Dellbrügge. Er residierte damals in dem herrli- chen Hildebrandtpalais auf dem Ballhausplatz in Wien, in dem grossen Saal, der seinerzeit das Büro " des Fürsten Metternich war. Ihn besuchte ich wie- derholt dort, um von ihm doch noch die Ausfuhrbe- willigung zu bekommen. Die ersten Male zeigte er sich noch verbindlich und höflich, doch bei mei- nem letzten Besuch war er schon recht ungehalten und meinte, wenn ich ihn noch einmal in dieser Sa- che aufsuchen würde, würde er veranlassen, dass ich an die Ostfront einrückend gemacht werde. Ich wusste, dass ich diesen Mann zum letzten Male ge- sehen hatte, und empfahl mich. Damals war das schöne Palais schon durch Bomben stark zerstört, und ich musste mich immer wieder wundern, wie die Bonzen [des deutschen Reiches], in lauter Trümmern amtierend, noch immer versuchten, eine Siegeszuversicht auszustrahlen, an die schon niemand mehr dachte. Für die Einstellung dieser Leute ist es interessant, dass eben dieser Reichs- kommissar Dellbrügge nach dem Kriegsende aus einem Gefangenenlager an den Fürsten einen Brief schrieb, worin er bat, der Fürst solle sich doch für seine Freilassung einsetzen, in Anbetracht der Mühe, die er sich vor Kriegesende um die Rettung der Galerie erworben habe. 
Am 6. Mai 1.943 hatte die letzte deutsche Armee in Afrika kapituliert, am 10. Juli landeten die West- mächte in Sizilien und lösten am 25. Juli den politi- schen Umsturz in Italien aus. Die feindlichen Luft- basen rückten immer näher, und es begannen im November die grossen Luftangriffe auf die Reichs- hauptstadt. Nun war jene Situation eingetreten, die wir bei unseren Bergungen immer vor Augen hat- ten: Der Luftkrieg bedrohte unsere Heimat. Die Ka- pitulation in Italien hatte anderseits in uns die alte Hoffnung neu gestärkt, die Führung werde, wenn der Feind sich dem deutschen Boden nähern wür- de, ebenfalls die aussichtslose Sache aufgeben. Wir alle dachten damals nicht daran, dass man den Krieg tatsächlich bis zur totalen Katastrophe fort- setzen werde, und unsere Bergungsbestrebungen waren lediglich auf den Schutz vor Luftangriffen abgestellt. Erst als wir im Laufe des Jahres 1944 sahen, die deutsche Führung lasse es darauf an- kommen, dass das ganze Land vom Feind über- rannt werde, sah ich mich genötigt, unsere östlich gelegenen Depots raschestens nach dem Westen zu verbringen. Je mehr die militärische Lage sich zugunsten der Alliierten verlagerte, umso mehr wuchs bei mir der Wunsch, das Eigentum des Fürsten in Vaduz si- cher deponieren zu können, und es ist kennzeich- nend für die «Götterdämmerungsstimmung» der Nazis, dass uns die Stellen des Reiches in diesen Bemühungen beharrlich entgegen waren. 1943 stand es fest, dass man von Seiten des Reiches je- den Versuch, unsere Sachen nach Vaduz zu brin- gen, verhindern würde. Der ständige Vorwand der staatlichen Stellen war, man erzeuge in der Bevöl- kerung durch eine derartige Aktion eine Panikstim- mung, anderseits beweise man selbst sein Miss- trauen in die deutsche Kriegsführung. 34) Meute ist Seebenstein nicht mehr in fürstlichem Besitz. Zudem musste das Talschloss dem Bau einer Wohnhäusergruppe weichen. 35) Damals war das am Semmering gelegene Jagdschlösschen Thalhof ein fürstlicher Besitz. Inzwischen ist es verkauft worden. 36) Heute amtlich: Bucovice; vgl. auch Ortsnamenliste am Schluss. 17
	        

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