Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1998) (95)

könnte. Wir stellten dem Heeresmuseum und dem Kriegsmarinearchiv den Spanischen Stall in Felds- berg sowie dem Finanzarchiv und Hofkammer- archiv Räume in Eisgrub zur Verfügung. Viel Sorge und Arbeit machten mir damals auch die vielen Privaten, die aus irgendwelchen echten oder ad hoc konstruierten Beziehungen zum Hause Liechtenstein mich täglich bestürmten, ihr Eigen- tum zu bergen, gar nicht zu sprechen von den vie- len wirklich Verwandten und Bekannten des Für- sten, die man nicht abweisen konnte. Dabei mach- te die Platzfrage weniger Kopfzerbrechen als das grosse Problem der Transportschwierigkeiten. Die- se privaten «Berger» haben bei uns schliesslich grosse Verluste erlitten, da zu der Zeit, als ich Feldsberg und Eisgrub vor den anrückenden Rus- sen räumte, diese Bestände dort bleiben mussten, da ich keinerlei für andere Leute verfügbare Lade- fläche hatte und die Besitzer selbst sich keine Wagen beschaffen konnten. So wurden wertvolle Bestände von den Russen zerstört, ich denke be- sonders an die schöne Sammlung alter spanischer Teppiche und Meissner Tierfiguren des Grafen Wilczek, die in Feldsberg blieben, und eine Anzahl Bilder. Im Sinne weiterer Dezentralisierung wurden Ende 1943 in Seebenstein (Niederösterreich) Ber- gungsräume im Talschloss am Fusse der fürst- lichen Hochburg34 ausgebaut, die am 3. November mit den Holzplastiken aus der Galerie, mit Archiva- lien, Möbeln, Kunstgewerbe und Bildern beschickt wurden. Kaum war das untergebracht, wollten staatliche Stellen das Schloss beschlagnahmen, und es brauchte alle möglichen Unternehmungen, um das abzuhalten. Neben Seebenstein wurde im Jagdschlösschen Thalhof35 ein guter Keller einge- richtet, der am 15. Jänner 1944 mit Tapisserien, Büchern und Möbeln eingeräumt wurde. Das Leben des Leiters der Kunstsammlungen entbehrte zu dieser Zeit bereits jeder Sesshaftig- keit. Die durch die Gefahr des Bombenkrieges not- wendige weitgehende Dislocation der Kostbar- keiten brachte die Notwendigkeit des ständigen Herumreisens mit sich, und die wachsende Schwie- rigkeit, taugliche Verkehrsmittel zu bekommen, 
machte die einfachsten Ortsveränderungen zu einem immer mehr Zeit raubenden Problem. Als im Frühjahr 1944 der Plan auftauchte, das in Mit- telmähren [Tschechien] gelegene Fürstliche Schloss Butschowitz35 als neuen Bergungsort zu adaptie- ren, war die Idee zu Anfang bestechend. Lag doch dieser herrliche Renaissancebau mitten in einer rein landwirtschaftlich genutzten Ebene, die kein- erlei Anreiz zu einer Bombardierung bot. Doch musste auch dieser Plan bald wegen der ungünsti- gen, nach Osten völlig offenen strategischen Lage fallen gelassen werden. Ausserdem zeichnete sich damals schon mehr die Tendenz ab, das ganze Ber- gungsgut nach dem Westen zu verlagern. Inzwi- schen wurde noch in der Burg Liechtenstein bei Mödling in Niederösterreich ein Depot eingerichtet. Dieser Bau hatte ungemein feste Räume im Unter- geschoss, die aber, da die ganze Burg auf einem hohen Felsenriff gebaut ist, trocken waren. Sie verlockten geradezu zu einer Bergung. Ich habe in diesen Räumen Fliegerangriffe erlebt mit Bom- beneinschlägen in nächster Nähe, die zeigten, wie ungemein fest dieser Bau ist. Dorthin brachten wir im Laufe des Frühsommers 1944 Bücher und Ar- chivalien, die dann leider zum Teil verloren gingen, weil die Möglichkeit, das Depot zu evakuieren, nicht mehr bestand. Die Ausreisesperre, die die deutschen Behörden - wie berichtet - nach dem Überfall auf Österreich über die Liechtenstein-Galerie verhängten, war für uns sicher ein schwerer Schlag. Die Fürstliche Ver- waltung verhandelte diesbezüglich durch ihre An- wälte längere Zeit mit den deutschen Behörden, doch ohne jeden Erfolg. Wie schwer diese Behinde- rung wirklich war, stellte sich dann bald nach dem Kriegsbeginn heraus. Die einzig normale Art der Bergung des Kunstgutes hätte ja darin bestanden, dass der Fürst - ein ausländischer Souverän - den Kunstbesitz in sein Land gebracht hätte, das neu- tral war und mit dem Dritten Reich keinerlei Pro- bleme hatte. Aber dies war uns eben unmöglich ge- macht worden. Alle von uns nach Kriegsbeginn eingeleiteten Versuche, in dieser Frage weiter zu kommen, erwiesen sich schliesslich als Fehlschlä- ge. Im Frühjahr 1939 konnte ich Verbindung auf- 16
	        

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