Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1998) (95)

DIE MUNDART DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN ROMAN BANZER Oberschicht: sehr hohes Einkommen sehr grosser Besitz hohes Ansehen in der Gemeinde hohe Stellung im Beruf Mittelschicht: gutes Einkommen durchschnittlicher Besitz gutes Ansehen in der Gemeinde gute Stellung im Beruf Unterschicht: geringes Einkommen geringer Besitz geringes Ansehen in der Gemeinde niedrige Stellung im Beruf Die Zahl der Probanden, die uns von den Gewähr- spersonen in den Gemeinden genannt wurden, war relativ zur Einwohnerzahl der Gemeinde und be- trug aus der Oberschicht 18 Prozent, der Mittel- schicht 79 Prozent und der Unterschicht 12 Pro- zent.33 Wir glauben damit eine Auswahl getroffen zu haben, die gemäss unseren Beobachtungen den Verhältnissen in Liechtenstein entspricht. Dieses Vorgehen wurde gewählt, weil die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der Probanden nicht in Erfah- rung zu bringen waren, als solche aber unabding- bare Konstituenten einer Schichtzuteilung in einer kapitalistischen Gesellschaft sind. Ruoff meint hier- zu, dass ein Proband wohl lieber seine aussereheli- chen Liebesverhältnisse dartut, falls vorhanden, als dass er Einblick in seine finanziellen Verhältnisse geben würde.34 Die Auswertung dieser repräsentativen Umfrage zeigt, dass im Sprachgebrauch zwischen den ein- zelnen Schichten keine Unterschiede bestehen, die es rechtfertigen würden, von schichtspezifischen Codes zu sprechen. Lediglich die Sprachsituation, in der im Bekanntenkreis Hochdeutsch gesprochen wird, zeigt Unterschiede, indem in der Oberschicht im Gespräch mit hochdeutschsprechenden Be- kannten in 80 Prozent der Fälle auch von den Liechtensteiner Mundartsprechern Hochdeutsch gesprochen wird, während in der Mittelschicht 47 Prozent und in der Unterschicht 20 Prozent der Be- fragten angegeben haben, dass die Mitglieder ihrer Familie hier Standard benutzen. Die Aussage von Ris für die Sprachpragmatik der Schweiz kann also 
voll und ganz auf Liechtenstein übertragen werden. Die Verwendung von Hochdeutsch oder Mundart im familiären Bereich korreliert nicht mit der Re- dedeterminante der Schichtzugehörigkeit. 2.4.6.1. FÜRSTENHAUS Fürst Franz Josef II. war der erste Vertreter seines Geschlechts, der seinen ständigen Wohnsitz in Liechtenstein genommen hatte. Der Vater des nun amtierenden Fürsten ist nicht in Liechtenstein auf- gewachsen und sprach demzufolge auch nicht die Mundart des Landes. Dessen Gemahlin, Fürstin Gina von Liechtenstein, war eine gebürtige Öster- reicherin. Beide sprachen Hochdeutsch oder eine Umgangssprache aus ihrem Geburtsland. Deren Kinder und Kindeskinder sind alle in Liechtenstein aufgewachsen und haben auch in ihrem Heimat- dorf die Grundschule besucht. Daher hat sich die zweite und dritte Generation der in Liechtenstein lebenden Mitglieder des Fürstenhauses eine aktive Mundartkompetenz erworben. Zuhause in der Fa- milie und auch vielfach im Umgang mit Mundart- sprechern benutzen die von Liechtenstein Hoch- deutsch oder eine dem Hochdeutsch sehr naheste- hende Umgangssprache, die durch ihre Verbin- dung nach Österreich, speziell nach dem Wiener Raum geprägt ist. Allgemein wird im Fürstenhaus also überwiegend Hochdeutsch gesprochen. Die Phase einer aktiven Verwendung der Mundart re- duziert sich bei der zweiten und dritten Generation der in Liechtenstein lebenden Familienmitglieder auf die Zeit der Grundschule. Man darf hierbei nicht vergessen, dass nur ein kleiner Teil der gan- zen Familie von Liechtenstein auch in ihrem Land lebt. Die Kontakte nach der Schulzeit mit den Ein- wohnern des Landes sind beschränkt und fördern den Mundartgebrauch nicht. 171
	        

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