Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1998) (95)

DIE MUNDART DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN ROMAN BANZER Schreibung laut wird. Es scheint jedoch äusserst fraglich, ob es sinnvoll ist, der Mundart auch in der Schriftlichkeit den Weg der Ausdehnung weiter zu ebnen. Aus der Schweiz und dem benachbarten Ausland gibt es Stimmen, die davor warnen, mit dem Vordringen der Mundart in verschiedenste Be- reiche gleichzeitig auch einer sprachlichen Isola- tion Vorschub zu leisten.19 Eine Untersuchung der schriftlichen Verwendung der Mundart findet in dieser Arbeit nur nebenbei statt. Daher wird im fol- genden ohne weiteren Hinweis unter Mundartge- brauch immer die verbale Verwendung verstan- den. Die Sprachproduktion ist, wie oben ausgeführt, abhängig von sozialen Faktoren.20 Die Varietäten- wahl wird induziert durch aussersprachliche, nicht linguistische Rededeterminanten aus dem sozialen und situativen Bereich. Die Wissenschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten Untersuchungsansätze geschaffen, die neben der Theorie der medialen Diglossie helfen, die Bedingungen von Sprachwahl und Sprachvariation und deren gesellschaftliche Determination zu erklären. Es sind dies die Begrif- fe des Code-switching und der Domänen21 und die damit verbundenen Theorien. 2.3. CODE-SWITCHING Rund 98 Prozent von über 540 Befragten gaben auf die Frage: «Wie reagieren Sie, wenn Sie mit jeman- dem ins Gespräch kommen, der ausschliesslich Hochdeutsch spricht und den Liechtensteiner Dia- lekt schlecht versteht?» die Antwort, dass sie sich anpassen und Hochdeutsch sprechen. Grundsätz- lich beherrschen alle Mundartsprecher Liechten- steins auch das Standarddeutsch. Teilnehmende Beobachtungen und Befragungen haben ergeben, dass viele auch dann gerne zum Standardcode wechseln, wenn sie wissen, dass der Kommunika- tionspartner den Dialekt Liechtensteins versteht, dass also ein Wechsel aus Verständigungsgründen nicht notwendig wäre. Die Bereitschaft der liech- tensteinischen Bevölkerung, Standard zu sprechen, 
ist sehr hoch, wenn Einheimische in sprachlichen Kontakt mit Personen kommen, von denen ange- nommen werden muss, dass sie die Mundart Liechtensteins nicht sprechen. Die Mundart Liech- tensteins kennt hier den stehenden Ausdruck «nach der Schrift reden». Allgemein wird unter Code-switching die Fähig- keit der Sprecher verstanden, nach Anforderung der Sprechsituation aus einem Katalog mit mehre- ren, mindestens aber zwei Varietäten, eben jene zu wählen, die den geforderten situativ-sozialen Be- dingungen maximal entspricht. Poplack/Sankoff22 unterscheiden verschiedene Arten des Code-swit- ching, die allerdings auf die kanadische Gesell- schaft zugeschnitten sind. Sie unterstellen bei- spielsweise auch fremde Einschübe (a) der Varietät A in die Varietät B dem Code-switching. Z.B.: «Also wenn i doo draa denk, dann sollte man meiner Meinung nach, scho ned a so dumm sii und nüüt tue.» Diese Fälle möchten wir nicht untersuchen, obwohl sie auch zum Code-switching gehören. Wir untersuchen jene Sprechsituationen, in denen der Sprecher, den Normen der Sprachwahl entspre- chend, für eine längere Dauer - mindestens aber so lange, bis sich die Rededeterminanten verändern - Mundart oder Standard wählt. Natürlich kann der Wechsel innerhalb eines Gesprächs unvermittelt und wiederholt geschehen. Man denke als Beispiel etwa an ein Telephongespräch mit einem Hoch- deutschsprechenden und die gleichzeitig stattfin- denden Rückfragen an einen Mundartsprecher, der beim Gespräch anwesend ist. Den Auslösebedin- gungen für diesen Registerwechsel wurde in der Forschung viel Zeit gewidmet. Dabei muss beachtet werden, dass der Wechsel verschiedene Funktio- nen haben kann, nämlich die metaphorische und die situative. Die metaphorische Funktion dient «...z.B. Wechsel von Humor zu Ernst, von Überein- stimmung zu Meinungsverschiedenheit, vom Un- wesentlichen oder Zweitrangigen zum Wesent- lichen oder Primären ...» (Fishman 1975, S. 43). Es wird sich in der Untersuchung zeigen, dass diese Funktion vor allem in den Schulen ihre Aufgaben hat und ganz bewusst eingesetzt wird. Dieser me- taphorische Wechsel ist nach Fishman jedoch nur 157
	        

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