Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1998) (95)

lier period or in another speech Community, which is learned largely by formal education and is used for most written and formal purposes but is not used by any sector of the Community for ordinary conversation.» (Ferguson 1959, S. 336) Für den verbalen Kommunikationskanal sind nach Ferguson eine funktional komplementäre H- und L-Varietät (high-low) zu unterscheiden. Die H-Varietät wird für offizielle, öffentliche Anlässe der Politik, Kirche, Literatur und Kultur gebraucht und geniesst das höhere Prestige, die Grammatik ist komplexer und präskriptiv, wird in einem for- malen Vorgang gelernt, ist die Sprache der Litera- tur und hat ein anderes Lexikon als die L-Varietät, die für private, informelle Situationen in der Fami- lie, der Nachbarschaft, dem Freundeskreis verwen- det wird, in einem natürlichen Spracherwerb pri- mär vermittelt wird und keine präskriptive Gram- matik hat. «Gumperz haben wir es zu verdanken, dass wir uns nun der Tatsache besser bewusst sind, dass Diglossie weder nur in mehrsprachigen Gesellschaften, die offiziell verschiedene <Spra- chen> anerkennen, noch lediglich in Gesellschaften, die Volkssprache und klassische Varietäten ver- wenden, vorhanden ist, sondern auch in Gesell- schaften, die verschiedene Dialekte, Register oder funktional differenzierte Sprachvarietäten irgend- welcher Art benützen.» (Fishman 1975, S. 96) Für Liechtenstein wäre demzufolge die Mundart die L- und das Standarddeutsche die H-Varietät. Die Be- wertung der beiden Varietäten ist aber mit Be- stimmtheit eine andere als sie Fishman für seine Untersuchung festgestellt hat. Die Mundart besitzt keinesfalls das geringere Prestige, sie geniesst in der Schweiz und auch in Liechtenstein ein sehr ho- hes Ansehen. Für die Sprachsituation der Schweiz wurde in den 70er Jahren der Begriff der «Medialen Diglos- sie» eingeführt.18 Danach bedient sich die Mundart als gesprochene Sprache des verbalen Kommuni- kationskanals, und das Standarddeutsche ist an den Schriftverkehr gebunden. Die Wahl der Varie- tät hängt davon ab, ob man spricht oder schreibt. In dieser Begriffsbildung steckt aber wie in allen Faustregeln die Gefahr der Vereinfachung und der 
Einseitigkeit. Verschiedene wichtige Bedingungen der Sprachwahl werden ausser acht gelassen. Jeder Einzelne kann durch eine bewusste Wahl seinen Sprachcode selber wählen. In den Schulen wird viel Arbeit und Mühe darauf verwendet, die Beherrschung des Standarddeutschen zu vermit- teln, und ausserdem haben die Ergebnisse unserer Untersuchungen ergeben, dass fast alle Mund- artsprecher durchaus bereit sind, den Code zu wechseln, also Llochdeutsch zu sprechen, wenn an- genommen werden muss, dass der Kommunika- tionspartner das dialektale Idiom nicht versteht. Ausserdem wird das komplizierte Bedingungsge- flecht der Sprachwahl auf die mediale Komponente vereinfacht. Die Abhängigkeit der Varietätenwahl von sozialen und situativen Rededeterminanten darf nicht vernachlässigt werden. Die Realität zeigt, dass es Fälle gibt, in denen Mundart ge- schrieben und Hochdeutsch gesprochen wird. Als Beispiele seien hier etwa der private Briefverkehr und die Werbung in Mundart oder die Rede vor grosser Öffentlichkeit in Hochdeutsch genannt. Zu verweisen bleibt hier noch auf die staatspolitische Notwendigkeit der mündlichen Beherrschung des Llochdeutschen, ohne die eine Isolation auf vielen Ebenen unumgänglich wäre. Die liechtensteinischen Sprachverhältnisse kön- nen durch die Theorie der medialen Diglossie allein nicht ausreichend erklärt werden. Vor allem müs- sen jene Sprachsituationen beschrieben und er- klärt werden, die die Regel der medialen Diglossie durchbrechen, wie z.B. die mündliche Verwendung des Hochdeutschen in der Schule oder die schrift- liche Verwendung der Mundart zur Vorbereitung einer Dialektrede. Es ist zu beachten, dass es für die Liechtenstei- ner Mundart keine Schreibregeln gibt. Daher ist der schriftliche Gebrauch der Mundart und die Schreibweise ausschliesslich vom subjektiven Emp- finden sowie von persönlichen Vorlieben geprägt und intersubjektiv schwer nachvollziehbar. Die Diethsche Dialektschrift ist kaum bekannt und würde wohl auch nicht gerne akzeptiert werden, obwohl gerade von Mundartdichtern ab und zu der Ruf nach einer Vereinheitlichung der Mundart- 156
	        

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