Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1998) (95)

DER WEG DER LIECHTENSTEIN-GALERIE VON WIEN NACH VADUZ / GUSTAV WILHELM der aufgehoben waren, sondern auch die Schätze der beiden Wiener Schatzkammern und anderes Kunstgewerbe. Bei dieser mehrtägigen Reise wurde eingehend die Frage durchgesprochen, ob und wie weit wir uns der Bergung in Gaming anschliessen sollten. Dafür sprach die überaus günstige Lage des Ortes, der gegenüber Wartenstein immerhin durch die Nähe des Semmeringpasses vielleicht einmal ge- fährdet sein konnte. Am 4. Februar fand eine Besprechung zwischen dem Fürsten, dem Kabinettssekretär Dr. Rupert Ritter24 und mir statt, welcher als Grundlage mein Memorandum diente. Der Fürst erklärte damals, er wolle tunlichst alle Sammlungen, das ganze Archiv und die Bibliothek geborgen haben, wozu ich be- merken musste, dass dafür Gaming in Niederöster- reich viel zu klein wäre. In den zur Verfügung ge- stellten Räumen in Gaming konnte man zur Not die ganze Galerie bergen, aber nicht mehr. Abermals drängte sich so die Frage auf, ob man die ganzen Sammlungen nicht vielleicht doch nach Vaduz brin- gen könne, weil nur damit eine wirkliche Sicherheit für die Bestände gewährleistet sei. Dabei war man sich darüber einig, dass wir selbst nicht darum an- suchen konnten, ich sollte aber nochmals abklären, ob eine Möglichkeit bestünde, dass die Reichsre- gierung selbst uns diese Form der Bergung, bei allen Garantien unsererseits für eine spätere Rück- führung, nahe legen würde. Über diese Frage sprach ich zwei Tage später mit Dr. Dworschak vom Kunsthistorischen Museum in Wien, der mir versicherte, dass eine Bergung in Liechtenstein gänzlich ausgeschlossen sei, er mein- te, es sei überhaupt nicht daran zu denken, dass das Reich uns ein solches Unternehmen gestatten würde. Auf Grund dieser Unterredung stimmte der Fürst einer Bergung in Gaming zu. 
21) Rotter (1992), S. 602-608. Die Kirche der Kartause Gaming war nach der Aufhebung des Klosters 1782 säkularisiert worden; 1929 wurde sie - inzwischen im Besitz des Klosters Melk - wieder als Kir- che eingeweiht, doch nur für wenige Jahre; denn schon am 18. März 1938 hatten SA-Männer - wenige Tage nach der nationalsozialisti- schen Machtergreifung in Österreich - einen Zettel an das Tor der Kartause geheftet mit der Aufschrift: «Dieses Gebäude befindet sich im Besitz der Hitlerjugend. Der Jugendführer des Deutschen Reiches: Baidur v. Schirach.» Folglich wurden in der NS-Zeit in der Kirche so- wie im Refektorium der Kartause die Bestände des Kunsthistorischen Museums Wien eingelagert und zu diesem Zweck sogar eine Klima- anlage installiert. - Ähnlich bei Haupt (1992), S. 617: Die Klosterkir- che Gaming wurde durch Einzug einer Zwischendecke geteilt sowie mit einer Zentralheizung und einer Befeuchtungsanlage versehen. 22) Vgl. Haupt (1991), S. 159 - 164. Die Kartause Gaming (Deck- name «Schloss») und das (weiter unten im Text genannte) ehemals Rothschildsche Jagdschloss Steinbach bei Göstling (Deckname «Jagd») waren die wichtigsten Bergungsorte bei Kriegsbeginn für das Kunsthistorische Museum Wien. 23) Vgl. Haupt (1991). S. 148, 159 und 272 sowie Haupt (1992), S. 622. Karl Pollhammer (*1886; +1947), Leiter der Abteilung «Schlossmuseen» des Kunsthistorischen Museums in Wien, war seit 1940 Bergungsleiter in der Kartause Gaming (Niederösterreich). 1945 wurde er wegen seiner Mitgliedschaft bei der NSDAP vom Dienst suspendiert, blieb aber bis zu seinem Tod 1947 in Gaming. 24) Der aus Mauren stammende Dr. iur. Rupert Ritter (*1900; + 1975) war von 1939 bis 1946 Sekretär der Fürstlichen Kabinetts- kanzlei. Vgl. auch JBL 94 (1997), S. 204. Die Kirche des ehemaligen Kartäuserklosters Gaming in Niederösterreich, 1940 bis 1945 Bergungsort für grosse Teile der fürstlichen Sammlungen 19) Bausachverständiger für die Fürstlich-Liechtensteinischen Schlösser in Tschechien. 20) Haupt (1991), S. 127 und 268: Univ. Prof. Dr. Bruno Grimschitz (*1892; +1964) wurde 1939 Direktor der Österreichischen Galerie im Schloss Belvedere in Wien. 11
	        

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