Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1998) (95)

GOTTESFÜRCHTIGE REBELLEN AUS LIECHTENSTEIN ALBERT EBERLE 
f SCHLUSSBEMERKUNGEN Neben den grossen Auswanderungswellen nimmt sich die Lebensgeschichte der fünf Geschwister vom Meierhof eher bescheiden aus. Trotzdem setz­ te ihr bewegtes Schicksal ein Zeichen der katho­ lischen Volksfrömmigkeit und des Missionsgedan­ kens für unser Land.112 Dieses selbstlose Wirken im Dienste anderer ist bei uns auf fruchtbaren Boden gestossen, denn nach wie vor arbeiten Liechten­ steinerinnen und Liechtensteiner als Missionare oder Entwicklungshelfer in aller Welt. Theodor Nigg wäre wohl trotzdem der einzige Mönch und Missionar in der Familie Nigg geblie­ ben, wenn nicht der unheilvolle Mauerstreit solche Folgen gehabt hätte. Die Geschwister Nigg fühlten sich von Kindheit an der katholischen Tradition verpflichtet. «I ha mini Sach ka, dr Franz aber kunnt is Fegfür!» Diese Aussage des kleinen Johan­ nes, der nach der Besteigung des verbotenen Kirschbaumes bereit war, die Strafe der Mutter zu akzeptieren, zeugt von einer tiefbegründeten reli­ giösen Überzeugung und Opferbereitschaft, welche die' Geschwister Nigg ihr ganzes Leben bewahrten. Sicher galten die altledigen Geschwister auf dem abseits gelegenen Meierhof bei vielen als Sonder­ linge, zumal sie sich ständig gegen die Gemeinde- vorstehung auflehnten. Jedenfalls führte eine offen­ sichtlich vorhandene Respektlosigkeit gegenüber den Geschwistern Nigg dazu, dass von einigen Triesnern vermehrt und widerrechtlich zur Som­ merszeit das Wegrecht über die Meierhofwiesen in Anspruch genommen wurde. Als mehrere Beschwerden bei der Gemeinde- vorstehung erfolglos blieben, begannen die verär­ gerten Geschwister Nigg mit dem Bau der Mauer, denn ihr sehr ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfin­ den und der aufgestaute Zorn verunmöglichten in ihnen das Bestreben, eine einvernehmliche Lö­ sung zu suchen. Diese Handlungsweise der Nigg- Geschwister entstammte aber keinesfalls einem jugendlichen Übermut, denn Gregor, der älteste, war zu diesem Zeitpunkt bereits 45 Jahre alt. Die verbotenerweise erstellte Mauer brachte den Grossteil der Triesner Bevölkerung gegen die Fa­milie 
Nigg auf, was den Streit schliesslich eskalie­ ren liess. Der bewaffnete Widerstand führte die Geschwi­ ster Nigg in eine ausweglose Situation. Nach der Haftentlassung machte ihnen die Konsequenz ihres Handelns sicherlich zu schaffen, denn ein Verbleib in Triesen war für sie kaum noch möglich, mussten sie doch Spott oder sogar Repressalien befürchten. Die Auswanderung blieb für die vier Geschwister Nigg wohl die einzige Möglichkeit eines Neuanfan­ ges. Durch diesen Schritt konnten sie zudem der Enge des bäuerlichen Lebens in Liechtenstein ent­ rinnen. Wie Theodor Nigg wollten sie fortan ihr Leben für Gott einsetzen. Sie wählten wohl bewusst einen sehr strengen Orden, denn so unnachgiebig sie in der Auseinandersetzung mit der Gemeinde Triesen waren, so konsequent wollten sie nun ihr weiteres Leben führen. Der schwarze Kontinent eröffnete den Geschwi­ stern Nigg Möglichkeiten, die sie zuhause nicht ge­ funden hätten. Anerkennung, die ihnen in Triesen verwehrt blieb, wurde ihnen in Afrika zuteil. Im Pioniergeist der aufstrebenden Missionsgemein­ schaften konnten sie ihre Fähigkeiten voll ent­ wickeln. Nicht zuletzt ihrer Beharrlichkeit wegen und ihres Mutes, sich Problemen in den Weg zu stellen, haben sich die Geschwister Nigg in Afrika bewährt. 110) Die Missionsstation Reichenau liegt in Natal, westlich von Pie- termaritzburg (Südafrika). Sie wurde von den Trappisten, unter denen sich auch etliche Schweizer befanden, nach dem bündneri- schen Reichenau benannt. 111) Mariatal liegt bei Ixopo, Bezirk Natal (Südafrika). 112) Bis vor wenigen Jahren wurden in den Pfarreien des Fürsten­ tums Liechtenstein noch Volksmissionen abgehalten. 103
	        

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