Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1997) (94)

SPRACHWANDEL IN TRIESENBERG/DIE EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG/TONI BANZER KONTAKTNAHME UND AUFNAHME- VERFAHREN Die Befragungen der ausgewählten Informanten fanden von Dezember 1989 bis März 1990 statt. Aufgrund der besonderen Situation in Liechten- stein bin ich bei der Kontaktaufnahme etwas an- ders vorgegangen, als dies üblich ist. Die Kleinheit des Landes bewirkt, dass sozusagen jeder jeden kennt. War ich zwar nicht mit allen Informanten persönlich bekannt, so kannten sie aber fast immer meinen Vater oder sonstige Verwandte. Diese Enge hat Einfluss auf die Umgangsformen. Im Liechtensteiner Oberland, und speziell auch in Triesenberg, kennt man ursprünglich die Höf- lichkeitsform Sie nicht, und man begrüsst oder ver- abschiedet sich auch nicht per Handschlag. So ver- suchte ich also die Kontaktaufnahme gerade mit den älteren Informanten möglichst natürlich zu ge- stalten, um von Anfang an keine Distanziertheit zu erzeugen. Ich entschloss mich, persönlich bei den Informanten vorbeizugehen oder anzurufen, um mein Anliegen zu unterbreiten. Ich habe dabei gute Erfahrungen gemacht, und es war auf diese Weise auch nicht mehr nötig, vom höflichen Stil eines Briefes zum umgangssprachlichen Du zu wechseln. Einigen Informanten habe ich trotzdem einen Brief geschrieben, machte aber die Erfahrung, dass ich vor dem Interview mein Anliegen nochmals er- zählen musste, weil die Leute einfach mehr oder genauer wissen wollten, was ich mit ihnen vor- hatte. Mit dem Vorhaben, eine Arbeit über ihre Mundart zu schreiben, stiess ich bei den meisten Informanten auf reges Interesse, was sich auch daran zeigt, dass ich lediglich zwei Absagen auf der Suche nach den 58 Triesenberger/innen erhielt. Ich habe versucht, die Interviews möglichst standardisiert durchzuführen. Die Informanten wurden über die Absicht, eine Arbeit zum Wandel in ihrer Mundart zu schreiben, informiert. Dabei ergab sich meist ein angeregtes Gespräch, das die Situation auflockerte. Oft wurde vor dem Interview auch über andere, alltägliche Dinge geplaudert. Das Interview wurde in der Regel bei den Infor- manten zu Hause gemacht, einige fanden auch an 
deren Arbeitsplatz statt. Die Umgebung war für den Informanten aber in jedem Fall vertraut und trug zur Entspannung der Situation bei. Über den genauen Untersuchungsgegenstand habe ich die Informanten vorerst nicht aufgeklärt, sondern nur gesagt, es ginge darum, herauszufin- den, ob die jungen Leute anders reden als die älte- ren. Die meisten wussten spontan ein konkretes Beispiel für eine Veränderung. Die Beispiele kamen immer aus der Lexik, also einem Bereich, der in dieser Arbeit nicht zur Untersuchung kam. Ich habe die Informanten jedoch nicht darauf hinge- wiesen, sondern war froh, sie vom eigentlichen Ge- genstand abgelenkt zu wissen. Am Ende der Befra- gung habe ich jeweils erklärt, um was es wirklich gegangen sei. Bei den 58 Interviews habe ich bald gemerkt, dass es vom Einleitungsgespräch abhängen kann, wie das Interview nachher verläuft. Oft ist es mir gelungen eine gute Einleitung zu schaffen, d. h., die Situation (ziemlich) natürlich zu gestalten und den Informanten zu interessieren. Es gab aber auch Fälle, wo ich weniger geschickt war und feststellen musste, dass der Informant etwas befangen be- ziehungsweise nervös war. Ich habe dann versucht, durch Unterbrüche zwischen den Übersetzungs- sätzen die Gesprächssituation zu lockern, was oft recht gut gelang. Bevor gestartet wurde, habe ich immer gefragt, ob ich eine Tonbandaufnahme machen dürfe. Die Informanten zeigten sich meist völlig unkompliziert und bemerkten das Gerät kaum. Bei sieben Inter- views habe ich auf die Tonbandaufnahme verzich- tet, da diese Informanten eine eher ablehnende Haltung einnahmen. Die Länge der Interviews war je nach Gewährs- person recht unterschiedlich. Sie betrug im allge- meinen aber zwischen zehn und 20 Minuten. Die Informanten erhielten die Blätter mit den Sätzen, lasen diese und übersetzten sie in ihre Mundart. Es gab zum Teil deutliche Unterschiede im Verlauf der Interviews zu beobachten. Einige Informanten hatten offensichtlich Mühe mit der Textvorlage, während anderen das Handout gar nichts ausmachte. Erstaunlicherweise waren die 37
	        

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